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Ich war Hitlerjunge Salomon

Ich war Hitlerjunge Salomon

Titel: Ich war Hitlerjunge Salomon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sally Perel
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Fahnen, und an den Mauern klebten riesige Plakate.
    Sie stammten von der amerikanischen Besatzungsmacht, die
    klar und unzweideutig bekanntmachte, daß jeder Bürger im
    Besitz einer Waffe oder von Nazizeichen und jeder, der die
    Ausgangssperre mißachte, erschossen werde.
    Ich beeilte mich, in meine ehemalige Schule zu kommen,
    da die Stunde der Ausgangssperre näherrückte. An der Hek-
    ke, die um das Internat wuchs, sah ich eine Menschmenge
    stehen. Ich begriff, daß es sich um die Arbeiter handelte, die
    man zur Arbeit im Volkswagenwerk aus dem Osten geholt
    hatte und die nun befreit worden waren. Sie waren aus ihren
    winzigen, stacheldrahtbewehrten Baracken aus- und in unsere
    geräumigen Zimmer eingezogen. Ich konnte nun nicht mehr
    dorthin zurück, um meine Sachen zu holen. Da ich keine
    Wahl hatte, fiel mir das ehemalige Lager der Zwangsarbeiter
    ein. Es war nicht weit, und es gelang mir, wenige Minuten
    vor dem Beginn der Ausgangssperre durch den immer noch
    vorhandenen Stacheldrahtzaun zu schlüpfen und in eine der
    Baracken zu verschwinden. Dort ließ ich mich auf eine Prit-
    sche fallen. Ich war allein auf dem Gelände, allein mit der
    Vergangenheit.
    Ich spürte, daß jetzt keine schützende Hand mehr über
    mich wachte. Die Einsamkeit war eine ganz andere, wenn auch
    nicht leichter zu ertragen. Ich hatte die Besiegten verlassen,
    gehörte aber nicht zu den Siegern. Eine bittere und eigenartige
    Lage. Ich fühlte, daß etwas Wichtiges in mir schmolz und
    Tropfen um Tropfen versickerte. Meine geschärften Sinne, die
    Fähigkeit, sofort auf alles eine Antwort zu haben und mein
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    starker Wille waren nicht mehr vorhanden. Sie hatten ihre
    Funktion erfüllt. Dabei fühlte ich, daß ich sie jetzt nötiger
    denn je brauchte.
    Der Abend dämmerte, ich aß etwas von meiner eisernen
    Reserve aus meinem Rucksack und schlief, in mich verknäult,
    sofort ein. Mein tiefer Schlaf war eine Flucht, ein Abtauchen,
    ein Mittel, die Konfrontation mit der Zukunft zu verschieben.
    Ich brauchte eine Genesungszeit.
    Traurig und widerwillig hatte ich damals meine Wehr-
    machtseinheit verlassen, und jetzt, nach drei Jahren als Hit-
    lerjunge in äußerlicher Normalität, aber ständigem Kampf
    ums Überleben verspürte ich erstmals große Müdigkeit. Dabei
    mußte ich doch gerade völlig neu beginnen, mich in einem
    völ ig anderen Leben zurechtfinden. Ich wurde wieder zu einem
    einzelnen, vom Baum abgerissenen Blatt, das der Sturmwind
    forttrug, richtungslos, nicht wissend, wo und wann es auf
    der Erde landen würde. Ich war erschöpft und verzagt. Mein
    Tiefschlaf war der einzige Ausweg.
    Aber ich hatte noch einen Funken Hoffnung. Die Über-
    zeugung, daß sich auch in Zukunft alles irgendwie richten
    würde, war nicht ganz geschwunden und genügte, daß ich
    am Morgen aufstand, um den neuen Tag zu begrüßen und
    einen neuen Anfang zu machen.
    Ich erinnerte mich an eine Braunschweiger Freundin, die
    in der Nähe wohnte. Wir waren früher manchmal zusammen
    ausgegangen, und ich beschloß, sie aufzusuchen. Ich stieg
    die Holztreppe ihres Hauses empor und klopfte an die Tür.
    Es dauerte eine Weile, bis die Tür geöffnet wurde und sie
    vorsichtig den Kopf heraussteckte. Sie freute sich, mich zu
    sehen, fragte, wie es mir ginge, und entschuldigte sich, mich
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    nicht hereinbitten zu können, da sie Besuch von einem Freund
    habe. Sie forderte mich auf, nachmittags wiederzukommen.
    Durch die halboffene Tür sah ich eine nachlässig auf einen
    Stuhl geworfene Uniform. Ich verstand, daß es ihr peinlich
    war und ging sofort wieder. Ich war erstaunt und konsterniert:
    Du? Und so schnell?
    Ich nahm mir vor, nachmittags Frau Latsch und ihre Tochter
    Leni zu besuchen. Einstweilen kehrte ich in meine Unterkunft,
    das verlassene Arbeiterlager zurück. Auf dem weiten Gelände
    traf ich auf einige Polen und Russen. Einer sagte zu seinen
    Begleitern: »Sieh dir diesen Deutschen an, der hier herum-
    streicht!« Drohend und Beschimpfungen ausstoßend kamen
    sie näher. Ich versuchte, ihnen auf russisch verständlich zu
    machen, daß sie sich täuschten, ich kein Deutscher, sondern
    Jude sei. Wie aber sollten und konnten sie das glauben, wo
    ich, Sally, doch immer noch in Jupps Uniform herumlief? Sie
    verprügelten mich, obwohl ich schrie: »Ich bin Jude!« Schließ-
    lich konnte ich davonlaufen.
    Im Stadtzentrum wol te ich mich stärken und auf dem Rat-
    haus die Lebensmittelkarten abholen, die mir zustanden. Die
    Hauptstraße, in der

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