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Ich war nur kurz bei Paul

Ich war nur kurz bei Paul

Titel: Ich war nur kurz bei Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herfried Loose
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Spielpause nahm Christoph sich die Mannschaft noch einmal vor, um die neue Spieltaktik zu besprechen. Sie sollten noch mehr auf Manndeckung achten. Den Abwehrspielern, also Ralf auf der linken Position und Benny auf der anderen Seite, schärfte er ein, besser auf die Taktikzeichen von Kevin, dem Libero, zu achten.
       Der Gegner, auf dessen Platz sie heute spielten, machte nun mächtig Druck. Ralf hatte bereits viel zu tun gehabt, um den eigenen Torraum sauber zu halten. Der harte Rempler von der gegnerischen Nummer Zehn , der ihn im Strafraum foulte, hatte ihm bös zugesetzt - an seinem linken Schienbein prangte ein handtellergroßer Bluterguss. Die Stelle tat sehr weh. Den daraufhin vom Schiedsrichter gegebenen Elfmeter, konnte Henning, als Mittelstürmer eingesetzt, leider nicht in ein Tor verwandeln; der Schuss ging knapp über der Torlatte ins Blaue. Das erleichterte Aufseufzen der anwesenden, schätzungsweise siebzig Zuschauer, hatte in Ralfs Ohren nachgeklungen und war ihm neuer Ansporn, dass an diesem Tag ein Sieg für seine Mannschaft her musste!
       Zuwenig eigene Torchancen hatten sich bisher, jetzt, knapp vor dem Abpfiff, ergeben, Henning hatte heute nicht seinen besten Tag erwischt, hatte sich den Ball vom Gegner mehrfach vom Fuß nehmen lassen. Aus dem Augenwinkel sah Ralf, wie Christoph wiederholt auf seine Uhr schaute und sie, mit den Armen wild rudernd, voranzutreiben versuchte. Alles raus, Druck was geht! Jeden Augenblick konnte der Abpfiff ertönen!
       Ralfs nächster Blick galt Kevin, dem Libero, aber von dem kamen keine Zeichen. Alle starrten gebannt auf die Nummer Zehn , der es schon wieder gelang, alle Angreifer durch seine Fummeleien auszutricksen. Ralf kniff die Augen zusammen und täuschte drippelnd Ausweichmanöver vor, im Zickzack preschte die Zehn in atemberaubendem Tempo heran, nur kurz begegneten sich ihre Blicke, links, rechts - nein, nach rechts: Ralf schoss wie eine Rakete los, jetzt nur noch das runde Leder im Fokus, schon streifte er mit seinem linken Fuß der Zehn den Ball vom Fußrücken, voran, nur voran -- links, rechts, keiner aus der eigenen Mannschaft zu sehen, verdammt, wo blieben die Schuler, er konnte doch nicht als Verteidiger den Ball ins gegnerische Tor tragen oder doch? - Scheiße, noch immer war er  auf sich allein gestellt, die Mittellinie lag längst hinter ihm, das Raunen der Zuschauer drang an seine Ohren, die gegnerische Abwehr formierte sich, alles starrte ihn an, der Ball lief gut, klebte an seinem Führungsfuß, da, die Drei lief auf ihn zu, etwas zu zögerlich, Ralf erkannte die geplante Bewegungsrichtung, flitzte an ihm vorbei, jetzt hörte er stampfende Schritte und Keuchen hinter sich; nur nicht umdrehen, weiter, weiter, weiter, das Tor wuchs riesengroß vor ihm aus dem Boden, der Torwart drippelte unentschlossen - blickte verzweifelt zu seiner Abwehr, rannte jetzt raus, kam ihm entgegen, das war sein Fehler, Ralf duckte sich und tauchte unter dessen ausgebreiteten Armen links hindurch, freies Feld, das Tor leer, seine Chance, seine Riesenchance, seine Lunge spannte zum Platzen, mit letzter Kraft drosch er den Ball auf die Mitte des Tores, Scheiße, nicht so hoch, nicht so hoch... der Ball knallte an die untere Kante der Torlatte in fast senkrechtem Winkel nach unten, knapp hinter die Torlinie, Pfiff - die Torlatte zitterte wie wild und erzeugte ein knatterndes Geräusch, die Menge stöhnte auf - TOR, TOR, TOR, TOR! Wahnsinn! Sein erstes Tor für die Mannschaft , er riss die Arme hoch, drehte ab, kam wie ein Mauersegler auf seine hinter ihm her hetzenden Spielkameraden zu -- sie sprangen aufeinander zu, umarmten sich, waren plötzlich ein riesengroßes, fleischgewordenes Knäuel, welches sich hemmungslos in überschäumender Freude ins Gras fallen ließ. ABPFIFF!!
     
     

Kapitel 11
     
       »Übrigens, am Freitag kommt uns Nadine besuchen! Hast du eine Idee, was wir drei dann zusammen unternehmen könnten? Ich habe keinen Dienst.« Ralf hörte nur mit halbem Ohr hin, weil er in den Sportteil der Zeitung vertieft war. Erst als er bemerkte, dass ihn seine Mutter unter bedeutungsvollem Schweigen ansah, begriff er, dass eine Antwort von ihm erwartet wurde.
       »Wie bitte, was hast du gesagt?«
       »Junge, du sollst nicht immer beim Essen lesen! Ich sagte, dass uns deine Schwester am kommenden Wochenende besuchen kommt und fragte, was wir drei dann unternehmen wollen?« Ralf hörte entgeistert auf zu kauen und ließ seine Brötchenhälfte

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