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Ich war nur kurz bei Paul

Ich war nur kurz bei Paul

Titel: Ich war nur kurz bei Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herfried Loose
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verstanden zu haben, nur sein Vater hatte mal wieder nicht richtig zugehört. Er nahm sich vor, nichts mehr von seinem Erzeuger zu erwarten, aber auch gar nichts mehr! Der hatte bei ihm endgültig verschissen - ein für alle Mal! Einen solchen Vater brauchte er nicht.
       Von Groll und Enttäuschung erfüllt zog sich Ralf nach der Vernehmung auf sein Zimmer zurück. Er fühlte sich einsam und allein gelassen - verraten! Von seinem eigenen Vater verraten und den Wölfen quasi zum Fraß vorgeworfen. Das Leben konnte so ungerecht sein. Er hatte seinem Gegner also die Nase gebrochen... deshalb hatte sich der Schlag so eklig angefühlt. Er hätte nicht gedacht, dass so etwas so leicht ging. Vielleicht hätte er doch nicht ganz so viel Kraft in den Schlag stecken sollen? Na, nun war es geschehen. Er, Ralf, hatte den Streit schließlich nicht vom Zaun gebrochen, der andere hatte zuerst gedroht.
       Er hörte, wie seine Zimmertür leise geöffnet wurde. Nadine kam herein und bestaunte sein blaues Auge. »Wow! Brüderchen, ich bin stolz auf dich! Das hat der andere jedenfalls mit einer kaputten Nase gebüßt. Einfach cool. Mein Bruder ist ein Jedi-Ritter!« Sie schien ihre Anerkennung wirklich ernst zu meinen. Ihre Worte taten seiner wunden Seele gut. Vielleicht war sie ja doch nicht solch eine blöde Zicke, wie er bisher immer angenommen hatte? »Übrigens, Papa und Barbara machen einen Spaziergang. Lucie durfte nicht mit, weil sie etwas Ernstes zu besprechen hätten! Glaubst du, dass Barbara ihn auf Hanna Koschka ansprechen wird? Hoffentlich kriegen wir wegen unserer Bemerkung keinen Ärger mit Papa.« Nadine sah verunsichert aus.
       Ralf straffte sich und gab nun ganz den neu erstandenen Jedi-Ritter: »Pah, was ich gesehen habe, habe ich gesehen! Warum macht der Alte auch immer so 'nen Scheiß? Ich glaube nicht, dass Barbara sich das gefallen lassen wird - genauso wenig wie unsere Mutter.« Zum ersten Mal bekamen die beiden Jugendlichen eine Ahnung von dem, was ihre Mutter zur Trennung von ihrem Vater veranlasst hatte.
     
    Es war noch keine halbe Stunde vergangen, als die Geschwister, noch immer in Ralfs Zimmer sitzend, die Haustür krachend ins Schloss fallen hörten. Dann rasche Schritte, noch ein Türenknallen, danach einen Moment Stille - es folgte ein Rumohren. Nadine warf ihrem Bruder einen viel sagenden Blick zu und erhob sich, um nach dem Rechten zu sehen.
       Die Geräusche kamen aus dem Schlafzimmer ihres Vaters. Ralf blieb sitzen und lauschte durch die jetzt offen stehende Tür. Dann vernahm er einen heftigen Wortschwall von Barbara, die in abgehackten Sätzen augenscheinlich mit Nadine sprach.
       Er hatte es kommen sehen - Barbara schien ihre Koffer zu packen. Nach kurzer Zeit kehrte Nadine zurück. Sie sah blass und verstört aus. Tonlos stieß sie hervor:    
       »Barbara packt ihre Koffer. Du sollst Lucie holen; sie reisen ab.«
       »Dann müssen wir jetzt wohl alle packen, nehme ich an, oder wie soll das gehen?«
       »Sie sagt, sie lässt ein Taxi kommen und sich zum nächsten Bahnhof fahren. Sie fährt auf keinen Fall mit uns zurück!«
       »Oh, je! Ich geh dann mal und suche Lucie. Meine Fresse, ist das wieder alles ein Oberscheiß! Mann, Mann, Mann!« Kopf schüttelnd machte sich Ralf auf die Suche.
       Er fand die Kleine auf dem Spielplatz, wo sie mit einer Mädchengruppe Seilspringen spielten. »Lucie, ich soll dich holen. Deine Mutter will, dass du sofort nach Haus kommst!«
       »Aber wieso denn? Es ist doch noch gar nicht so spät!«, begehrte sie auf.
       »Klappe! Wenn deine Mutter sagt, du sollst sofort kommen, dann ist das so! Los, komm schon!« Fast grob hatte er seine Worte heraus geschleudert. Lucie sah erschrocken drein, begriff erst jetzt, dass etwas passiert sein musste und ging traurig mit.
       Als sie ins Haus kamen, hörten sie lautstarken, heftigen Streit zwischen seinem Vater und Barbara durch die verschlossene Schlafzimmertür dringen. Es ging richtig zur Sache! Kurze Zeit später stürmte sein Vater mit hochrotem Kopf aus dem Schlafzimmer. »Wenn du das wahr machst, dann war es das! Dann setz ich dich vor die Tür, darauf kannst du Gift nehmen! Dich und die Kleine! Du spinnst doch total!«
       Die Haustür flog krachend hinter Siegfried Jensen zu, der wutentbrannt hinaus stürmte, ohne auf Ralf oder Lucie zu achten. Umgehend fing die Kleine an zu plärren. Barbara hörte das, kam aus dem Zimmer in den Flur, nahm Lucie, sich niederkniend,

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