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Ich war seine kleine Prinzessin

Ich war seine kleine Prinzessin

Titel: Ich war seine kleine Prinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelly
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Er
hinderte mich weiterhin daran, mein eigenes Leben zu leben, meine Jugend zu
genießen. Ihm hatte ich es zu verdanken, daß ich nicht glücklich, nicht
unbekümmert sein konnte. Ludovic und ich waren nie wirklich allein. Mein Vater
war immer dabei. Ich fragte mich, ob das mein Leben lang so sein würde, selbst
wenn ich zwanzig oder dreißig wäre. Würde ich jemals erleben dürfen, was es
heißt, zu lieben und geliebt zu werden? Oder würde es mir für immer versagt
bleiben, dieses wunderbare Gefühl, von dem jeder träumt, kennenzulernen? Der
Gedanke trieb mir Tränen der Wut in die Augen.
    Werde ich eines Tages eine normale Frau
sein können, die nicht ihren Vater vor sich sieht, wenn sie mit einem Mann
schläft? Diese Frage stellte ich mir immer wieder. Mich beschäftigte nichts
anderes mehr. Deshalb behandelte ich die Jungs oft so gemein. Deshalb machte
ich so viele Dummheiten. Andere Leute interessierten mich nicht mehr. Ich war
frech, vorlaut, provozierend, nicht nur meinen Freunden gegenüber, sondern auch
in der Schule und zu Hause. Meine Mutter verzweifelte fast, sie wurde nicht
mehr fertig mit mir.
    Das war eine harte Zeit für sie:
Probleme mit den Kindern, Geldsorgen, Arbeitslosigkeit, der Besuch von Kursen
für die Wiedereingliederung ins Berufsleben... Das alles zehrte an ihren
Kräften. Aber obwohl sie total überfordert war, griff sie zum Glück nicht
wieder zu Tabletten. Sie verstand meine Probleme, wußte aber nicht, wie sie mir
helfen sollte. In der Hoffnung, mir das Leben und das Vergessen zu erleichtern,
ließ sie mir alles, wirklich alles durchgehen. Ich war ja erst dreizehn, aber
ich durfte abends bis zehn Uhr weg, auch wenn ich am anderen Morgen zur Schule
mußte. Zu Hause hieß ich bald nur noch »Durchzug«. Ich kam aus der Schule, warf
meine Mappe hin und verschwand wieder. Meine Clique wartete... Ich war kaum
noch daheim anzutreffen. Ich wollte Spaß haben, was unternehmen, ich hatte ein
irres Nachholbedürfnis. Mein Vater hatte mir ja alles verboten: Ich durfte
nicht ausgehen, mich nicht amüsieren, nicht bei einer Freundin übernachten,
keine Jungs küssen. Er war auf alles und jeden eifersüchtig. Ich hatte kein
Recht auf ein eigenes Leben gehabt. Ich war nicht respektiert, nicht ernst
genommen worden. Und jetzt war mir eben alles wichtiger als die Familie. Ich
wollte endlich etwas erleben. Und weil meine Mutter nicht wußte, wie ich in
meiner rebellischen Phase auf Vorhaltungen reagieren würde, griff sie nicht
ein. Wenn wir nicht völlig uns selbst überlassen gewesen wären, wenn der
Richter oder eine Sozialhelferin gelegentlich bei uns vorbeigeschaut hätte, um
nach dem Rechten zu sehen, hätten wir uns wahrscheinlich anders verhalten. Aber
es interessierte niemanden, ob und wie wir mit allem fertig wurden.
    Für die Schule tat ich gar nichts mehr.
Entweder ich arbeitete nicht mit im Unterricht, oder ich schwänzte. Ich hatte
absolut keinen Bock mehr auf Schule. Die Zeiten, in denen ich die brave Nelly
gewesen war, die gute Schülerin, die den anderen als Vorbild hingestellt wurde,
waren vorbei. Um ein Haar wäre ich in einer Lehrwerkstätte für Arbeiter
gelandet: zwei Wochen Schule, zwei Wochen Fabrik. Ich sträubte mich dagegen.
Zum Glück war Mama auf meiner Seite und setzte sich für mich ein. Sie ging zum
Direktor und erklärte ihm die Situation. Er zeigte sich verständnisvoll, er kannte
ja meine Geschichte und wußte von meinen Schwierigkeiten. Er schlug vor, mich
im Jean-Giono-Gymnasium in Orange anzumelden. Er war unheimlich nett zu mir,
und am Schluß erklärte er sich damit einverstanden, daß ich die Quinta zum
drittenmal wiederholte!
    Ich besuchte den Unterricht. Aber nicht
etwa, um mitzuarbeiten und zu lernen, sondern um den Clown zu spielen. Was die
Lehrer erzählten, interessierte mich nicht. Ich glaubte nicht mehr an den
ganzen Quatsch. Ich verweigerte mich total. Dabei war ich einmal so gern zur
Schule gegangen. Jetzt hatte ich nur noch einen Wunsch: mir eine Arbeit suchen —
mit dreizehn! — , Geld verdienen und unabhängig sein. Ich hatte so oft gehört,
ich sei schon eine richtige kleine Frau, daß ich es zu guter Letzt selbst
glaubte. Arbeiten gehen? Ausgeschlossen, sagte meine Mutter, das käme gar nicht
in Frage, das Gesetz verbiete es, ich sei noch viel zu jung. Sie redete gegen
eine Wand. Die Schule, die ich früher mit Leichtigkeit geschafft hatte, war für
mich erledigt. Ich wollte nichts mehr davon wissen.
    Zu der Zeit versuchte ich mit aller
Kraft

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