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Ich weiß, ich war's (German Edition)

Ich weiß, ich war's (German Edition)

Titel: Ich weiß, ich war's (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Schlingensief , Aino Laberenz
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Kritikerleben 120 Mal den Hamlet angucken. Was soll denn in diesem Kopf noch stattfinden? Was soll überhaupt noch in diesem Menschen stattfinden? Das muss doch zum Kotzen sein, da immer drinzusitzen und sich zu fragen: Ja, wie haben wir’s denn diesmal gemacht? Hamlet als Frau? Oder die Schauspieler echte Neonazis, wie bei mir damals in Zürich? Oder als Hausfrauenchor? Hartz-IV-Empfänger-Chor?
    Dasselbe in der Oper. Da spielt man den Holländer dann im Trimm-dich-Klub oder an einer Tankstelle oder aufm Mond oder was weiß ich. Obwohl: Mond geht ja noch, weil ich finde, metaphysische Elemente bringen einen weiter. Aber diese anderen Sachen nicht unbedingt.
    Deshalb finde ich im Kern den Vorschlag brillant: Universalinszenierungen für alle alten Schinken und gut ist. Keine neuen Einfälle mehr, dann ist die Sache vom Tisch, dann ist endlich Ruhe. Kein Toter wird sich mehr im Grab umdrehen müssen. Und wir können uns endlich in Ruhe den Arbeiten widmen, die richtig verunglücken. Weil sie sich dem Leben nähern. Deshalb: Wenn wir demnächst in Afrika etwas machen, dann können Sie gerne mitkommen, Flug und Hotel müssen Sie natürlich selber zahlen, aber Sie können dabei sein und sich das angucken. Und Sie können natürlich auch sehen, wenn Fehler passieren. Aber wenn man gleich schon ganz vorne am Tisch sitzt und sagt, das wird sowieso nichts, das haben wir schon immer gewusst, das bringt denen nichts und uns sowieso nicht, weil wir sitzen ja sowieso verschnarcht hier rum – dann ist immer nur alles tot. So viel wird bei uns von vornherein totgemacht!
    Das ist auch das, was ich so gerne noch aufschreiben will, vielleicht als Andenken: dass ich es so wichtig finde, die Augen offenzuhalten. Dass man jungen Leuten, genau wie bei der Filmförderung, zusprechen sollte, an sich selber etwas lernen zu dürfen. Und dass das auch wirklich in Ordnung ist, wenn sie das öffentlich machen, also wenn man daran teilnehmen darf. Es ist so wichtig, dass wir dahinkommen, offen zu sein, einfach zu sagen, ja, mach doch, ich freu mich, das ist super, leg doch los und schick mir das mal. Das muss drin sein. Ein bisschen Wohlwollen. Und das ist als Idee auch ganz wichtig für die Elemente, die ich nachher von Afrika erzählen möchte.
    Liebe besorgte Afrikafreunde, ich lese gerade diesen Blog, in dem auch das afrikanische Festspielhaus thematisiert wird, und möchte Folgendes bemerken: Ich habe meine Projekte immer aus der Offenheit begangen, dass es auch falsch sein kann, was da gemacht wird. Wie anders sollte man den Dingen überhaupt begegnen. Aber noch immer wissen immer so viele, was geht und was nicht geht! Der Neid, dass die Bundeskulturförderung oder wer auch immer da Geld geben wird, ist nicht zu überhören.
    Natürlich bin ich ein Onkel in der Sänfte. Als ob ich die Diskussion des kolonialen Auftretens nicht schon 1997 in Simbabwe oder vor drei Jahren in Lüderitz erlebt hätte. Warum ist da so eine Aggression im Raum? Ich halte auch nichts von den Geldoffwassersuchern oder tanzenden deutschen Rocksängern, die sich in Afrika so wahnsinnig wohlgefühlt haben. Noch übler dieser ganze Mist von deutschen Theatermachern, die sich zum Beispiel nach Brasilien aufgemacht haben, um dort ihre dicken Theatereier zu zeigen. Und was war? Die Klimaanlage war defekt, die brasilianischen Mädchen waren nicht willig und das Koks war versalzen. Aber schon nach einer Woche back in Germany ist alles ganz toll gewesen und Brasilien der Ort, an dem die Arbeit einen neuen Sinn bekommen hat! Hört! Hört! Ich kann nur sagen, selbst nach drei Monaten Manaus war uns allen klar, dass wir Touristen geblieben sind. Aber schön war’s trotzdem!
    Obwohl – das stimmt natürlich, was hier jemand geschrieben hat: dass nämlich diese Abgrenzung und Kategorisierung zwischen gutem und bösem Helfen Quatsch ist.
    Solange die Initiativen zukunftsorientiert handeln, also Zukunftsmöglichkeiten für andere Menschen auf- und ausbauen, ist jede Auseinandersetzung richtig und wichtig.
    Schade aber, dass hier die Gerechtigkeitsapostel (meist nichtregistrierte wie ich) ihre kolonialen Verhaltenstipps so namenlos vertreiben. […] Und noch was: Ich fahre im Juli nach Mosambik zu Henning Mankell. Seine Frau hat dort schon seit einiger Zeit ein Theater. Kommt doch mit und pickt euch eure eigenen Sätze raus! Was ich aber von meiner Krankheit, von vergangenem und neuem Kolonialismus, von angemessenen Trinkgeldern usw. halte, bleibt für immer mein Geheimnis.

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