Ich weiß, ich war's (German Edition)
Verlasst euch also nicht nur auf die Buchstaben, die da aus vorauseilendem Gehorsam sagen: Warum macht der was, was sowieso nicht geht? Ich behaupte mal: Es geht. Sollte ich mich getäuscht haben, dann schreibt es dick und fett ins Wikipedia: Er war fast einer von uns, aber an dieser afrikanischen Stelle hat er uns bitterlich enttäuscht.
(Anmerkung der Redaktion: Es handelt sich bei diesem Kommentator um den »wirklichen« Christoph Schlingensief. Die Redaktion hat nachgefragt.)
(26. 6. 2009, Kommentar auf nachtkritik.de)
Politik durchspielen
Aber bevor ich mehr von meiner Afrika-Idee erzähle, will ich doch noch ein bisschen von früher berichten. Was würde eigentlich passieren, wenn die Parteien ihren Dreck mal als Realität präsentiert bekämen, wenn einfach mal nachgespielt würde, was die uns als Lösungen vorschlagen? Das habe ich mich gefragt, als 1999 die FPÖ mit ihrem »Ausländer raus«-Wahlkampf zweitstärkste Partei Österreichs und anschließend sogar Regierungspartei wurde. Da dachte ich: Man muss real werden lassen, was Politiker propagieren, das heißt, man muss öffentliche Filmstudios aufbauen und behaupten, das sei jetzt echt. Das war die Grundidee: Wir nehmen Haider-Sätze und spielen die durch. Wir bauen ein Theater auf, das endlich nichts mehr vorspielt, sondern die Dinge durchspielt.
Und so haben wir wie bei dieser Big-Brother-Sendung, die damals gerade für unglaublich viel Aufregung sorgte, einen Container neben der Wiener Staatsoper aufgestellt und zwölf Asylbewerber einziehen lassen. Wobei Zeltstädte und Containerdörfer für mich schon länger aktuell waren. Bei »Terror 2000« hatte ich zum Beispiel in einem Asylbewerberheim gedreht: Da gab’s 18 m 2 für fünf bis zehn Personen, plus ein Waschraum und ein Aufenthaltsraum mit Gemeinschaftskochstelle. So ähnlich haben wir das dann auch in Wien bauen lassen. Die Außenwände der Container waren mit Wahlkampfsprüchen der FPÖ und mit Artikeln der Wiener »Kronenzeitung« beklebt, auf dem Dach hatten wir blaue Fahnen der FPÖ gehisst und vor allem: ein großes Schild mit der Aufschrift »Ausländer raus« angebracht, gemeinsam mit dem Logo der »Kronenzeitung«. Ausländer raus – das stand da einfach, in dicken und fetten Lettern, natürlich ohne Anführungszeichen, manifest wie ein Wahlplakat. Da konnte man erst mal nichts machen, und als wir nach dem Einzug der Asylbewerber dieses Schild feierlich enthüllten, jubelten die Sympathisanten noch wie die Wahnsinnigen. Ich selbst habe den Leuten mit meinem geliebten Megafon immer wieder verkündet: »Diese Aktion wird Ihnen präsentiert von der FPÖ, in Zusammenarbeit mit der ›Kronenzeitung‹.« Oder umgekehrt: »Diese Aktion wird Ihnen präsentiert von der ›Kronenzeitung‹, in Zusammenarbeit mit der FPÖ.« Denn die wahren Parteien sind ja eigentlich die Boulevardzeitungen.
Im Internet übertrug Webfreetv die Ereignisse im Container, und die Österreicher waren dazu aufgerufen, per Ted-Telefon oder per Mausklick täglich die zwei unbeliebtesten Insassen aus dem Container herauszuwählen. Was sie auch tatsächlich taten – und zwar nicht wenige. Das heißt, wer am Abend die meisten Stimmen hatte, wurde mit dem Auto abgeholt, sollte an die Landesgrenze gefahren und aus Österreich rausgeschmissen werden. Und der Asylbewerber, der übrig blieb, bekam ein Siegergeld und sollte in Österreich bleiben dürfen.
Ein Vorgang, der das ganze Ding im Vorfeld erst so richtig auf Trab gebracht hatte, war die Ungewissheit, ob wir überhaupt einen Platz bekommen. Nachdem das Okay von den Wiener Festwochen da war, hatten wir jede Menge Anträge gestellt, mehrere Plätze waren auch in der Diskussion, die wir aber alle nicht berauschend fanden – so Nicht-Fisch-nicht-Fleisch-Plätze, nicht ganz im Abseits, aber auch nicht richtig mittendrin: ein Parkplatz hinter der Secession, der Heldenplatz, auch ein Ort im Arbeiterbezirk Favoriten, mit der Begründung, da gäb’s ja besonders viele FPÖ-Wähler. Endlich kam ein Vorschlag, den wir utopisch gut fanden: am Anfang der Kärntner Straße, Fußgängerzone, direkt vor dem Hotel Sacher. Dann aber kam einer vom Gartenbauamt, der mitteilte, die Blumentöpfe an dem möglichen Standort könne man auf gar keinen Fall auch nur um einen Zentimeter verschieben, weil sonst die klimatischen Verhältnisse für das Parkhaus, das unten drunter lag, außer Rand und Band gebracht würden.
Also wieder nix. Das Ganze zog sich hin, alle waren schon ganz schön
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