Ich weiß nicht, was ich wollen soll: Warum wir uns so schwer entscheiden können und und wo das Glück zu finden ist (German Edition)
Studenten einen Fotografie-Kurs an. Zunächst sollte man eine Reihe von Fotos machen. Die beiden Lieblingsbilder eines jeden Teilnehmers wurden dann im Rahmen des Kurses entwickelt. Anschließend bot der Kursleiter den Teilnehmern an, sich eins der beiden Bilder auszusuchen. Dieses Bild durfte man behalten und mit nach Hause nehmen, das andere wurde »zu den Akten« genommen.
Es gab zwei Kursvarianten. In Kurs 1 konnten die Studenten, sobald sie sich für ihr Lieblingsbild entschieden hatten, ihre Entscheidung nicht mehr rückgängig machen, da der – mit britischem Akzent sprechende – Kursleiter das andere Bild sofort in einen Umschlag steckte, um es ins Archiv zu schicken, das sich dummerweise in Großbritannien befand. In Kurs 2 steckte der Kursleiter das abgewählte Bild zwar auch gleich in einen Umschlag, sagte den Teilnehmern allerdings: »Passt auf, ich werde das hier erst in fünf Tagen losschicken, solltet ihr in den nächsten Tagen eure Meinung ändern, könnt ihr die Bilder jederzeit problemlos umtauschen.«
Fragt man Leute, welche der beiden Kursvarianten ihnen lieber ist, dann bevorzugt eine überwältigende Mehrheit Kursvariante 2: Wir lieben eben die Möglichkeit, unsere Entscheidung revidieren zu können, wir lieben die Möglichkeit eines Umtauschs.
Die Studenten wurden per Zufall einem der beiden Kurse zugeteilt. Wenige Tage später fragte man sie, wie ihnen die Fotografie, die sie gewählt hatten, gefiel – und da offenbarte sich ein aufschlussreicher Unterschied: Die Studenten aus Kurs 1, die keine Umtauschmöglichkeit hatten, mochten ihr Bild lieber als die Leute aus Kurs 2, die ihre Entscheidung noch überdenken konnten. Es war, als reichte bereits die Möglichkeit eines Umtauschs aus, um das (vorläufig) gewählte Bild in Frage zu stellen und abzuwerten, während jene, die an ihrem Bild festhalten mussten, sich anscheinend auch mit ihm angefreundet hatten.
Besonders bemerkenswert ist, dass sich dieser Effekt sogar eine Woche später noch zeigte, als man alle Fotografien angeblich ins Archiv geschickt hatte und also keiner mehr sein Foto umtauschen konnte: Die Leute aus Kurs 1 mochten ihr Bild immer noch lieber, während die anfängliche Umtauschmöglichkeit bei den Studenten von Kurs 2 zu einer dauerhaften Abwertung des Bildes geführt hatte. [30]
In einem Kommentar zu diesem Befund zieht der Forscher Gilbert folgendes Fazit: »Wenn die gemachte Erfahrung nicht dem entspricht, was wir wollen, besteht unsere erste Reaktion darin, einfach hinauszugehen und eine andere Erfahrung zu machen, und aus diesem Grund bringen wir Mietautos zurück, die uns nicht gefallen, verlassen schlechte Hotels und geben uns nicht weiter mit Leuten ab, die sich öffentlich in der Nase popeln. Nur wenn wir die Erfahrung nicht verändern können, suchen wir nach Wegen, unsere Sicht der Erfahrung zu verändern […]. Wir machen erst dann das Beste aus unserem Schicksal, wenn es unausweichlich ist und wir ihm nicht entkommen können.« [31]
Inmitten einer Welt unbegrenzter Optionen würden wir am liebsten immer und überall alles offenlassen. Nicht zuletzt in Sachen Beziehungen soll heute so viel wie möglich so lange wie möglich unverbindlich bleiben, und wenn wir uns doch festlegen in Form einer Ehe, ist auch das längst kein unwiderrufliches Festlegen mehr. Die Freiheit (nicht umsonst haben wir sie uns erkämpft) hat natürlich den Vorteil, dass wir nicht, im Gegensatz zu früheren Generationen, bis an unser Lebensende in einer miserablen Beziehung gefangen bleiben und der Gesellschaft eine Farce vorspielen müssen.
Zugleich jedoch hat unser enormes Ausmaß an Freiheit zu einer allgemeinen Verunsicherung in Liebesdingen geführt. Wer traut sich schon, sich ganz einer Beziehung hinzugeben, die jederzeit ohne Angabe von Gründen aufgelöst werden kann? Unter solchen Bedingungen werden wir einen Teufel tun und alles geben, was wir haben. Statt uns vollkommen zu öffnen und hinzugeben, werden wir uns zurückhalten, nicht allzu viel investieren, keine allzu großen Zugeständnisse machen, keine allzu schmerzhaften Opfer bringen, obwohl uns vielleicht gerade das, dieser Sprung ins Ungewisse, der Sprung in die Verbindlichkeit, unserem Partner näherbringen würde.
Und nicht nur das, nein, erst wenn wir diesen Sprung wagen würden, würde auch jene erstaunliche Fähigkeit unserer Psyche aktiviert, das Glas nicht mehr als halb leer, sondern als halb voll zu betrachten. Erst sobald das Glas zu
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