Ich weiß nicht, was ich wollen soll: Warum wir uns so schwer entscheiden können und und wo das Glück zu finden ist (German Edition)
zuspielen.
Hört sich harmlos an, und doch berichten viele Leute nach einer Runde Cyberball, dass sie es ziemlich unangenehm fanden, von den anderen Spielern ohne jeden erkennbaren Grund ausgegrenzt zu werden.
Legt man Testpersonen in einen Hirnscanner und lässt sie in dem Gerät eine Runde Cyberball spielen, ist es sogar so, dass sich während der Ausgrenzung regelrechte Schmerzzentren des Gehirns aktivieren, Hirnregionen, die zum Beispiel auch dann Alarm schlagen würden, würde man uns ein paar Daumenschrauben anlegen. Diese Überlappung von physischem und sozial verursachtem Schmerz ist deshalb möglich, weil die Schmerzverarbeitung im Gehirn auf verschiedene Hirnstrukturen verteilt ist: Während bestimmte Regionen registrieren, dass es der Daumen ist, der zerquetscht wird, geht die Aktivierung anderer Areale mit dem unerträglichen Gefühl des Schmerzes selbst einher. Zu letzteren Arealen gehört der Anteriore Cinguläre Cortex, kurz ACC. Patienten, bei denen auf Grund chronischer Schmerzen der ACC operativ entfernt wurde oder deren ACC aus anderen Gründen beschädigt oder unterentwickelt ist, berichten öfters, dass sie Schmerzen zwar noch spüren, dass sie aber sonderbarerweise nicht mehr unter ihnen leiden. [87] Beim Cyberball ist es genau dieser ACC, der im Moment der Ausgrenzung verhältnismäßig stark aufleuchtet. [88]
Es sei denn, man konfrontiert Testpersonen vor der Ausgrenzung mit Geld – wie sich zumindest im Verhaltensversuch (keine Kernspintomographie) mit den chinesischen Probanden zeigte. So reagierten die Papierzähler auf die Abweisung beim Cyberball ähnlich, wie man bereits in anderen Versuchen festgestellt hatte: Sie fühlten sich zurückgewiesen und geringgeschätzt. Überraschenderweise jedoch verschwand dieser Schmerz der Ablehnung nach Auskunft der Testpersonen nahezu völlig, wenn sie vorher Geldscheine statt Papier gezählt hatten. Es war, als hätte das Geldzählen sie immun gemacht gegenüber dem Leid, das eine soziale Abweisung normalerweise verursacht, ganz nach dem Motto: Wer Geld hat, den braucht seine Beliebtheit bzw. Unbeliebtheit nicht groß zu kümmern. (Die entscheidende Rolle spielt dabei tatsächlich, dass einem suggeriert wird, dass man das Geld besitzt : In einem Kontrollversuch drückte man den Leuten einen Kalender in die Hand, und die Testpersonen sollten angeben, wie viel Geld sie im letzten Monat ausgegeben hatten. Unter diesen Bedingungen fühlt sich eine anschließende Abweisung bei Cyberball noch schmerzhafter an als sonst! [89] )
Umgekehrt scheint eine Abweisung unser Verlangen nach dem Schmerzmittel Geld geradezu anzustacheln. In einem letzten Experiment baten die Forscher die Testpersonen jeweils zu fünft in einen Raum, wo es darum ging, sich kurz kennenzulernen. Gleich im Anschluss wurde jeder in einen Einzelraum geführt, wo man auf einem Formular angeben sollte, mit welchem der vier anderen Teilnehmer man die nächste Aufgabe erledigen wolle. Der Versuchsleiter sammelte die Formulare ein, kam etwas später zurück und sagte dann entweder (nette Variante): »Na, das ist ja komisch, es passiert sonst nie, aber jeder will mit dir zusammenarbeiten.« Oder (fiese Variante): »Komisch, es passiert sonst nie, aber keiner will mit dir zusammenarbeiten.«
Welche der beiden Varianten eine Testperson zu hören bekam, hatte nichts mit dem zu tun, was die anderen Teilnehmer auf ihren Zetteln angegeben hatten – die Forscher hatten es bereits vorher festgelegt. Schließlich ging es ihnen nur darum, den einen das angenehme Gefühl des Gemochtwerdens zu geben, während die anderen eiskalt mit einer sozialen Zurückweisung konfrontiert wurden.
Nach dieser angenehmen oder üblen Vorbehandlung gab es drei Tests, die eruieren sollten, wie stark das Verlangen der Leute nach Geld war. Im ersten Test sollten die Probanden Münzen zeichnen. Im zweiten wurde ihnen eine Liste von schönen Dingen vorgelegt (Sonnenschein, Frühling, Schokolade, Strand etc.), und sie sollten angeben, auf welches dieser Dinge sie für eine Million für immer verzichten würden. Zu guter Letzt bat man alle um eine Spende für ein Waisenhaus.
Ergebnis: Jene Testpersonen, die gerade eine derbe Abweisung erfahren hatten, legten in sämtlichen Tests eine weitaus ausgeprägtere Geldgier an den Tag. Die Abgelehnten zeichneten größere Münzen, waren bereit, mehr schöne Dinge des Lebens für eine Million aufzugeben, und sie spendeten dem Waisenhaus weniger. [90]
Geld und Lob
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