Ich weiß nicht, was ich wollen soll: Warum wir uns so schwer entscheiden können und und wo das Glück zu finden ist (German Edition)
Geld eben doch nicht, genauer: Das, was wir für Geld bekommen, mag zwar kurzfristig zu einer ähnlichen und vielleicht sogar einfacher zu habenden Befriedigung führen als das, was wir über Sympathie und Liebe erleben, nicht jedoch langfristig. Warum nicht? Zum einen, weil wir in der Geldwelt kaum etwas über uns als Mensch erfahren. Vor allem aber, weil die Anerkennung unserer Mitmenschen letztlich doch nicht einfach nur ein Mittel zum Zweck des Überlebens ist: Der Gegenstand der Aufmerksamkeit und Anerkennung unserer Mitmenschen zu sein ist für unser Wohlbefinden als soziale Wesen zu einem Selbstzweck geworden.
Nehmen wir als Beispiel den Unterschied zwischen einem Hotel und einer Übernachtung bei guten Freunden. Einem Hotel ist es bekanntermaßen vollkommen egal, ob wir ein herzensguter Mensch, ein Rassist oder ein Tierquäler sind, das Hotel wird jedem von uns unterschiedslos Bett und Zimmer inklusive Kontinentalfrühstück anbieten, solange wir dem Hotel nur die richtige Menge unseres Wundermittels hinlegen. Ja, das Hotel wird noch den unsympathischsten Hanswurst lieber aufnehmen als unsereins und ihm sogar die Juniorsuite mit Meerblick geben, wenn dieser Hanswurst im Gegensatz zu uns das Geld dafür hat. In der Welt des Geldes sieht man sozusagen wie mit Röntgenaugen durch uns als Person hindurch auf das Portemonnaie in unserer Tasche. Oder, wie Richard Gere es in Pretty Woman auf den Punkt gebracht hat: Läden sind nicht nett zu Menschen, Läden sind nett zu Kreditkarten.
Genau umgekehrt verhalten sich unsere Freunde. Wer wir sind, wie wir uns verhalten, was für einen Charakter wir haben – das sind die Fragen, die den Ausschlag darüber geben, ob unsere Freunde uns eine Unterkunft gewähren oder nicht. Da Geld die Beantwortung dieser Frage korrumpieren würde, ist Geld als Kompensation für Freundschaftsdienste mehr oder weniger tabu. Würden wir nach einer netten Übernachtung in unser Portemonnaie greifen und unseren Freunden 100 Euro oder unsere Kreditkarte in die Hand drücken, es wäre wohl die letzte nette Nacht, die wir bei ihnen verbracht haben. Wahre Freunde sind nicht nett zu Kreditkarten, sie sind nett zu (bestimmten) Menschen.
Man könnte sagen, dass sich die Welt, in der das Geld regiert, im Vergleich zur Freundes- oder Intimwelt durch eine im Wortsinne absolute Charakterlosigkeit auszeichnet: Es ist schließlich nicht unser Charakter, der in der Geldwelt zählt, sondern die Frage, wie vermögend wir sind. Das heißt auch, dass uns die Gefälligkeiten, die wir in der Geldwelt erfahren, letztlich nichts über uns – wer wir sind – mitteilen, außer der Tatsache, wie gut unser Geldbeutel gefüllt ist, was er ja aus den verschiedensten Gründen sein kann (weil wir hart für unser Vermögen gearbeitet oder es geerbt oder es gestohlen haben, weil wir Glück an der Börse gehabt oder den richtigen Partner geheiratet haben, weil wir zufällig in dem richtigen Land geboren wurden). Wir können uns noch so erfolgreich in der Geldwelt bewegen und durchschlagen: Wir bekommen trotzdem kaum ein Feedback über uns als Mensch.
Da sieht die Welt der Freundschaften schon anders aus. Wer jede Menge gute Freunde hat und von diesen immer wieder herzlich begrüßt und warm aufgenommen wird, kann daraus durchaus gewisse Rückschlüsse über sich ziehen.
Außerdem ist die Erfahrung, dass es da draußen Menschen gibt, die sich wirklich um uns kümmern, an sich eine entscheidende Ingredienz für unser Wohlbefinden. Daran ändert auch eine Geldgesellschaft nichts, die diese sich um uns kümmernden Menschen für unser nacktes Überleben weitgehend überflüssig gemacht hat. Die Evolution hat uns in einem langen Entwicklungsprozess eingeimpft, dass es überlebenswichtig ist, von seinen Mitmenschen gemocht zu werden. Das Verlangen nach Anerkennung, Sympathie und Zuneigung ist so (wie das Verlangen nach Sex) zu einem Teil unserer Natur geworden, der sich nicht einfach so mir nichts, dir nichts abschütteln lässt. Obwohl der ultimative, biologische Grund – Überleben und Vermehren – für uns weggefallen sein mag, ist damit noch nicht das Bedürfnis als solches weggefallen: Wir brauchen die Anerkennung unserer Mitmenschen nach wie vor, um uns gut zu fühlen, und wenn wir diese Anerkennung nicht bekommen, leiden wir (so wie wir leiden, wenn wir keinen Sex abbekommen, selbst wenn wir gar kein Kind wollen und ein Verhütungsmittel nehmen).
Um aber von unseren Mitmenschen gemocht zu werden, müssen wir
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