Ich weiß nicht, was ich wollen soll: Warum wir uns so schwer entscheiden können und und wo das Glück zu finden ist (German Edition)
mindestens ein Exemplar des anderen Geschlechts davon zu überzeugen, sich angesichts einer beachtlichen Konkurrenz ausgerechnet auf uns einzulassen. Warum aber sollte dieser andere Mensch so leichtsinnig sein und das tun? Warum sollte er oder sie sich von all den möglichen Kandidaten da draußen just für uns entscheiden? Die Antwort ist: weil wir eventuell etwas zu bieten haben, das unser Nachbar nicht hat. Weil wir schöner, reicher, erfolgreicher, intelligenter, mit einem Wort: attraktiver sind als unser Nachbar. Aus diesem Grund legt uns die Natur nahe, stets in des Nachbarn Garten zu schielen, um sicherzustellen, dass dort der Rasen nicht grüner ist.
In einem Experiment an der Harvard-Universität fragte man Testpersonen, welche von zwei Situationen sie bevorzugen würden:
Dein Jahreseinkommen beträgt 50 000 Euro, während deine Mitmenschen 25 000 verdienen
Dein Einkommen beträgt 100 000 Euro, das deiner Mitmenschen 200 000
Du hast einen IQ von 110, während deine Mitmenschen einen von 90 haben
Dein IQ beträgt 130 Punkte, der deiner Mitmenschen 150
Deine körperliche Attraktivität entspricht einer 6, die deiner Mitmenschen einer 4
Deine Attraktivität entspricht einer 8, die der anderen einer 10
Wäre es nicht herrlich, einen IQ von 130 zu haben? Man könnte die faszinierenden Rätsel des Universums durchdringen, und wie viel leichter würde einem Mathematik und das Lösen anderer anspruchsvoller Aufgaben fallen …
Jedoch, die Bewältigung komplizierter Aufgaben scheint nicht das zu sein, was uns am allermeisten am Herzen liegt. Selbstverständlich sind wir gern gescheit, noch wichtiger aber ist es uns, im Vergleich zu unseren Mitmenschen nicht dumm dazustehen: Konfrontiert mit den obigen Szenarien, entschied sich die Mehrheit der Testpersonen durchgehend für Szenario A. [108]
Ja, es stimmt, die meisten von uns sind, global gesehen, ziemlich wohlhabend. Wir fühlen uns nur nicht so reich, weil wir es im Vergleich zu unseren unmittelbaren Nachbarn – sprich: zur Konkurrenz, zu denen, auf die es ankommt – oft eben nicht sind. Weil es um uns herum (und im Fernsehen) von Menschen wimmelt, die noch viel besser dastehen als wir.
Studien zeigen, dass dieses relative Schlechtabschneiden auch erheblich zur gegenwärtigen Unzufriedenheit der Chinesen beiträgt, und zwar gepaart mit einer stetig steigenden Macht des Geldes. Obwohl in China in den letzten Jahren fast jeder objektiv reicher geworden ist, hat eine kleine Elite von Millionären und Milliardären so richtig abgesahnt. Zugleich ist mit der Einführung des Kapitalismus für alle Chinesen die Frage des Geldes immer wichtiger geworden. Noch um 1990 herum etwa bestand nur ein schwacher Zusammenhang zwischen der finanziellen Zufriedenheit der Leute und ihrer Lebenszufriedenheit. Das Glück der Menschen hing einfach nicht so sehr davon ab, wie hoch ihr Einkommen war (sondern beispielsweise mehr von ihrer Gesundheit). Geld spielte nicht die alles dominierende Rolle im Leben der Leute.
Das hat sich stark geändert. Nicht nur in Hongkong, auch auf dem chinesischen Festland ist es inzwischen so, dass die Lebenszufriedenheit, wie Untersuchungen belegen, fast vollkommen davon abhängt, wie zufrieden man mit seinem Gehalt ist. Während im früheren China Geld für das Lebensglück (wie für das Leben überhaupt) lediglich eine von vielen Rollen spielte, ist heute die Höhe des Kontostandes zum ausschlaggebenden Glücksfaktor geworden. Alle anderen Glücksquellen sind vom Geld in den Schatten gestellt worden, womit China auf besonders klare Weise ein Risiko radikalkapitalistischer Gesellschaften bloßlegt, in denen, krass gesagt, ohne Geld kaum noch etwas im Leben Spaß macht und man also chronisch zu wenig davon hat. »Im gegenwärtigen China heißt Geld Glück«, fasst ein Forscherteam der Jacobs University Bremen in einer Studie dazu knapp zusammen. Blöderweise ist im Zuge dieses Wandels ein Großteil der Chinesen relativ ärmer geworden – was auf die Laune schlägt. [109]
Wenn es uns wirklich nur ums Überleben ginge, gäbe es in den wohlhabenden Staaten eigentlich kaum noch einen Grund zur Unzufriedenheit, es gäbe keinen Grund mehr für Kämpfe. Aber wir kämpfen nicht nur ums Überleben, wir kämpfen nicht nur um Essen und ein Dach überm Kopf, sondern auch um eine einigermaßen beachtliche Position in der Gesellschaft.
Die Amischen versuchen diesen Hunger nach Status, zu dem wir neigen und der etwas Verhängnisvolles
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