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Ich werde immer da sein, wo du auch bist

Ich werde immer da sein, wo du auch bist

Titel: Ich werde immer da sein, wo du auch bist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Lacour
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lese den Satz noch einmal. Ich schreibe weiter und versuche, mich an die schönste Nacht meines Lebens zu erinnern.
    Ingrid und ich hatten vor dem Badezimmerspiegel gestanden. Auf der Ablage standen und lagen lauter kleine Make-up-Tuben und Haarnadeln und Haargel.
    Wir sind große Klasse
, sagte Ingrid.
    Ich nickte langsam und beobachtete mein Gesicht, wie es sich auf und ab bewegte. Mein Haar glänzte, es war glatt und lang, in der Mitte gescheitelt. Ingrid hatte mich mit dunkelgrünem Lidschatten geschminkt, und dadurch wirkten meine Augen bernsteinfarben statt einfach nur braun. Sie hatte ihre blonden Locken zu einem unordentlichen Knoten hochgesteckt und sich die Lippen rot angemalt, wodurch sie älter und irgendwie cooler aussah.
    Stimmt
, sagte ich.
Wir sehen echt gut aus.
    Wir sehen unglaublich gut aus.
    Wir passten so gut zusammen, dass Fremde uns manchmal fragten, ob wir Schwestern wären, obwohl ihr Haar blond und gelockt war und meins glatt und dunkel. Obwohl sie blaue Augen hatte und ich braune. Vielleicht lag es an der Art, wie wir uns benahmen oder sprachen oder einfach bewegten. Wie wir beide im selben Moment den gleichen Gedanken hatten, uns gleichzeitig einander zuwandten und dasselbe sagten.
    Okay
, sagte Ingrid.
Halt still.
    Sie strich mir rosa Lipgloss auf die Lippen, und ich betupfte meinen Finger mit der Zunge und wischte einen Fleck Wimperntusche von ihrer Wange.
    Wir setzten uns in das Auto von Ingrids Eltern, und Ingrids Mutter Susan betrachtete uns im Rückspiegel.
    Ihr zwei seht super aus
, sagte sie.
    Ich sah sie im Spiegel lächeln. Ingrids Vater Mitch drehte sich um.
    Allerdings. Was für ein Anblick.
    Ich glaube, damit wollte er sagen, dass er uns auch schön fand.
    Ingrids Bruder Davey und seine Freundin Amanda hatten sich gerade verlobt und gaben aus diesem Anlass eine Riesenparty in einem Restaurant in der Innenstadt. Ingrid wurde zehn Jahre nach Davey geboren. Sie behauptete immer, sie sei ein Unfall gewesen, aber Susan und Mitch hatten das immer abgestritten. Die meisten Leute auf der Party würden älter sein als wir, aber das machte uns nichts aus. Immerhin kamen wir einen Abend lang aus Los Cerros raus.
    Mitch und Susan ließen uns vor dem Restaurant aussteigen, damit wir nicht stundenlang mit ihnen auf der Suche nach einem Parkplatz herumgurken mussten. Im Restaurant begrüßten uns Davey und Amanda, sie strahlten und sahen so glücklich aus wie immer.
    Nachdem wir uns eine Zeitlang mit ihnen unterhalten hatten, setzten wir uns an einen Tisch und aßen lauter verschiedene kleine Häppchen. Die Lichter wurden gedimmt, die Musik wurde lauter, und die Leute standen auf, um zu tanzen. Alle Freunde von Davey und Amanda sahen gut aus, aber zum ersten Mal fühlte ich mich auch schön. Ich stand auf und tauchte ein ins Getümmel. Ich trug einen schwarzen Pulli mit V-Ausschnitt und eine enge dunkelbraune Hose. Ingrid in ihrem gelben Kleid und den braunen Stiefeln folgte mir. Es war ein tolles Gefühl zwischen diesen fremden, schönen Menschen zu tanzen. Ich kam mir nicht wie eine Schülerin von der Highschool vor. Ich war jede, die ich sein wollte.
    Wir tanzten ziemlich aufgedreht zu britischer Popmusik. All diese Bands hatten wir noch nie gehört. Später tanzten wir zurück an den Rand der Meute, und ein Kellner kam mit einem Tablett voller Champagnergläser vorbei. Ingrid schnappte sich zwei Gläser, bevor er etwas sagen konnte, und wir tranken gierig. Ich wurde nicht direkt betrunken, es war schließlich nur
ein
Glas, aber ich wurde ein bisschen beschwipst, und danach machte das Tanzen noch mehr Spaß. Wir tanzten ohne Pause fünf Songs durch, als ein neues Lied anfing. Sobald ich diese Männerstimme hörte, eindringlich, ruhig und leidenschaftlich, war ich wie gelähmt. Ich stand zwischen all den tanzenden Fremden und hörte nur zu.
    In diesem Augenblick wurde mir klar, was Musik mit Menschen machen kann: Sie kann gleichzeitig weh tun und glücklich machen. Ich stand mit geschlossenen Augen da, fühlte die Bewegungen der Tänzer um mich herum, das Vibrieren der Bässe vom Fußboden bis zu meiner Kehle, während etwas in mir zerbrach und gleich wieder heilte.
    Als das Lied zu Ende war, zog ich Ingrid an der Hand aus dem Gedränge zu Amanda, die beim DJ stand, ihm ein paar CD s gab und sagte, was er als Nächstes spielen sollte. Die riesigen Lautsprecher standen neben ihnen, und ich spürte den Bass durch mich hindurchwummern.
    Welche Band war das eben?
, brüllte ich.
    The Cure
,

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