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Ich werde immer da sein, wo du auch bist

Ich werde immer da sein, wo du auch bist

Titel: Ich werde immer da sein, wo du auch bist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Lacour
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Das Geräusch von einem Reißverschluss, der zugezogen wird. Das Geräusch, als er aufsteht. Die Stille, als er sich nicht mehr bewegt.
    »Ich seh dich dann morgen«, sagt er.
    Ich mache die Augen auf und betrachte die Zimmerdecke. »Okay.«
    Er geht leise aus meinem Zimmer. Ich sehe seinen Rücken, als er die Tür leise hinter sich zuzieht. Als das Schloss einschnappt, beuge ich mich vor und lege den Kopf in die Hände.
    Dann geht die Tür wieder auf, und Taylor kommt zurück. Er lehnt sich an die Wand und sagt: »Nur damit du das weißt, ich mag dich wirklich. Das eben hat sich nur ziemlich seltsam angefühlt.«
    Wahrscheinlich sollte ich etwas sagen, aber es geht nicht. Ich bin meilenweit von klaren Gedanken und von Vernunft entfernt.
    »Caitlin?«
    Zum ersten Mal seit unserem Kuss sehe ich ihm ins Gesicht.
    »Ich wollte nur sicher sein, dass du es weißt. Es ist nicht so, dass ich mir so was nicht wünschen würde oder so.«
    Er wartet darauf, dass ich etwas sage. Dann kommt er zu mir und kniet sich vor mir auf den Teppich. Ich habe die grässliche Befürchtung, dass er mich aus Mitleid auf die Wange küssen wird. Ich lege eine Hand auf mein Gesicht, um das zu verhindern.
    »Weißt du, ich hab mich schon in der dritten Klasse wahnsinnig in dich verknallt.«
    Ich wusste gar nicht, dass er damals in meiner Klasse war.
    »MrsCapelli war unsere Klassenlehrerin. Weißt du noch?«
    Ich nehme die Hand runter. Ich erinnere mich. MrsCapelli trug immer bunte Pullover, die nach Mottenkugeln rochen, und sie hielt einen Hamster als Klassenmaskottchen.
    »Dein Tisch stand eine Reihe vor mir auf der anderen Seite vom Gang, und das war der allerbeste Platz, weil ich dich den ganzen Tag lang anschauen konnte, ohne dass du es gemerkt hast.«
    Ich sehe ihn kurz an und versuche mich daran zu erinnern, wie er als kleiner Junge aussah. Ich weiß noch, wie er im sechsten Schuljahr nach dem Unterricht auf dem Schulhof Skateboard-Tricks gezeigt hat.
    Ich klappe den Mund auf zu einer Frage, aber dann lasse ich es lieber.
    »Was?«, fragt er.
    Deshalb spreche ich es trotzdem aus. »Was hast du an mir gemocht?«
    »Viele Dinge.« Er verlagert sein Gewicht und rückt dabei ein bisschen näher – er berührt mich nicht, doch er ist mir ganz nah. »Aber ich erinnere mich vor allem an das, was du immer im Kunstunterricht gemacht hast.«
    »Was war das?«
    »Na ja, du weißt doch noch, dass wir diese Schachteln auf unseren Tischen hatten, mit unseren Namen drauf. In einer hattest du eine Plastiktüte. Ich hab ganz oft im Kunstunterricht zu dir rübergeschaut und dich dabei beobachtet, wie du Sachen zusammengeklebt hast. Du hast immer sehr langsam und sorgfältig gearbeitet, und du bist fast nie fertig geworden.«
    Ich nicke. Es stimmt – die Kunststunden waren immer zu kurz gewesen.
    »Und wenn MrsCapelli uns dann gesagt hat, dass die Zeit um war, haben die meisten ihre bunten Papierschnipsel und Glitzerzeug und Wattebäusche und Kram in den Papierkorb geschmissen. Aber du hast immer deine Tüte rausgeholt und alles, was du nicht verbraucht hattest, da reingetan.«
    Ich habe seit Jahren nicht mehr daran gedacht, aber als er es sagt, fällt es mir wieder ein. Ich sehe mich mit kleinen Kinderfingern alles in die Tüte stecken und für später aufheben.
    »Eisstiele und Pfeifenreiniger … ich meine, es war alles Müll, aber du hast es in deine Tüte mit dem Glitzerkram gesteckt und tolle Sachen damit gemacht. Das war wirklich total verrückt.«
    Er grinst, und obwohl mir das Herz im Hals stecken geblieben ist, lächele ich zurück.
    »Ich meine aber nett verrückt«, fügt er hinzu. Er steht auf. »Okay, jetzt geh ich wirklich. Bis morgen dann.«
    Während ich ihn die Treppe runtergehen und die Haustür zumachen höre, stehe ich auf und suche im Schrank nach meinem Jahrbuch aus der dritten Klasse. Schon nach einer Minute habe ich es gefunden. Ich stecke es in meinen Rucksack.
    »Ich geh raus«, schreie ich, damit meine Eltern keine Panik kriegen, wenn sie mich nachher nicht finden.
    In der Garage hole ich mir Dads riesige Taschenlampe, die er immer auf seine Ausflüge in die Wildnis mitnimmt. Ich knipse sie an und laufe den Abhang runter zu meiner Eiche. Bis jetzt habe ich eine drei Meter hohe Leiter gebaut und sechs Speichen am Stamm befestigt, eine für jede Wand. Ich lege die Taschenlampe vorsichtig auf einen Ast über meinem Kopf, stecke einige Dübel ein, greife mir den Hammer und stemme ein Brett hoch. Dann klettere ich rauf, setze mich

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