Ich werde rennen wie ein Schwarzer, um zu leben wie ein Weisser
Freunden. »Ich brauchte einen inneren Abstand zum Klub«,
sagt Nassor. »Ich hätte es sonst nicht ausgehalten. Man kann nicht ein halbes Leben lang an die alten Zeiten denken und ihnen nachtrauern. Wann lebt man dann?«
Malindi erwacht erst Ende der Achtziger wieder, nach bleiernen Jahren ohne schlagkräftige Mannschaft, ohne Erfolge, ohne Sponsoren. In den Siebzigern hätte der Klub eigentlich absteigen müssen, doch der sansibarische Fußballverband begnadigte Malindi. »Aufgrund historischer Verdienste«, hieß es damals.
1989 kommt Mohammed Naushad in den Klub, ein reicher Geschäftsmann aus dem Osten der Insel. Der Retter, wie viele glauben. Doch am Ende, nach sechs Jahren, wird es eine weitere enttäuschte Hoffnung sein. Und mehr als das, Naushad wird dem Klub die Ehre nehmen. In den Worten von Dickson Mungazi: Es begann eine neue Phase des Selbstbetrugs.
Naushad bringt viel Geld mit, und dafür bekommt er viel Macht beim Malindi SC. Er wird Manager, er wechselt die halbe Mannschaft aus, holt die stärksten Spieler der Liga in den Klub und kauft dazu noch fünf Stürmer aus Sambia. Gleich in der ersten Saison wird Malindi Meister. Es ist eine Erlösung, der erste Titel nach 25 Jahren. Malindi gewinnt auch die Super League, in der die besten sechs Teams der Republik spielen. Aber Naushad will mehr, er will Malindi zum besten Klub des Kontinents machen.
Er rüstet nach, aus Bulgarien holt er einen Torwart und einen Mittelstürmer. Angeblich mehr als 200.000 Dollar steckt Naushad pro Saison in den Klub. Es tut ihm nicht weh, es ist ihm ein Vergnügen. Naushad zeigt sich gern mit Pokalen und Schalen, das Hemd weit aufgeknöpft, eine große schwarze Sonnenbrille im Gesicht. Er hat ein wenig Ähnlichkeit mit dem jungen Adriano Celentano.
Der 29. Oktober 1995 hätte ein Festtag werden können für Naushad, für die ganze Insel, das Finale des CAF-Cups, es schien so nah. Amani Stadion, Rückspiel Malindi SC gegen Etoile Sportive du Sahel aus Tunesien. 1:0 nach 120 Minuten, 0:1 im Hinspiel. Remis also, das Elfmeterschießen musste die Entscheidung bringen.
57
Geschäftsführer Mohammed Massoud im Vereinsheim des Malindi SC
Mohammed Massoud, heute Geschäftsführer des Malindi SC, saß an jenem Abend im Amani Stadion, das Platz bietet für 15.000 Zuschauer. Doch 20.000 waren gekommen, sie hockten auf der
Tartanbahn, standen auf Treppen, Mauern und Zäunen. Und sie sangen, als das Elfmeterschießen begann, sie sangen Triumphlieder. »Alle wussten: Wir werden gewinnen«, sagt Massoud. »Die anderen hatten weiche Knie, sie redeten und redeten im Mittelkreis, niemand wollte schießen. Unsere Jungs? Gerader Rücken, sie waren bereit zu siegen. Dachte ich.«
Für Malindi traten an: Julian Aldaldetov, Ali Nassor, Hamidu Omar Twaha, Paul Bambaga und Jonas Lunyamila Edibilly.
Aldaldetov schießt als Erster. Flach und präzise, 1:0. Etoile gleicht aus, 1:1. Malindis Ali Nassor nimmt einen kurzen Anlauf, es sieht lässig aus, aber er trifft, 2:1. Wieder Ausgleich durch die Tunesier, und jetzt steht Hamidu Omar Twaha am Elfmeterpunkt. Lauer Schuss in die Mitte, kein Problem für den Torwart. Er hält. Die Fans pfeifen, sie pfeifen die Gäste aus, aber die lassen sich nicht nervös machen und verwandeln zum 3:2. Paul Bambaga ist der nächste Schütze. Sein Schuss: Eine Kopie des Elfmeters von Twaha, nur in Zeitlupe, so kraftlos rollt der Ball über den Rasen. Die letzten Gesänge auf den Tribünen verstummen, Gemurmel, einzelne Rufe. Etoile verschießt, und Malindi trifft ausnahmsweise, aber es jubelt schon niemand mehr, was geht da unten bloß vor sich? Kann Malindi nicht? Wollen die nicht?
Stürmer Jonas Lunyamila Edibilly gibt die Antwort. Schon vor dem Schuss. Wie er zum Ball steht, schräg, den Oberkörper verdreht, ausgerichtet auf die Eckfahne und nicht aufs Tor - es kann nicht gut gehen. Jeder im Stadion sieht: Es soll nicht gutgehen. Edibilly jagt den Ball links am Tor vorbei, zehn Meter bestimmt, und dann sinkt Edibilly in die Knie, schlägt sich die Hände vors Gesicht, aber die Nummer nimmt ihm niemand ab. Tumulte auf
den Rängen, brennende Fahnen, Etoile schießt das 4:3, Malindi ist ausgeschieden.
»Edibilly kann von Glück sprechen, dass ihn die Fans nicht erschlagen haben damals«, sagt Mohammed Massoud, »da war so viel Wut, so viel Hass, und es ist ja auch eine verdammte Schweinerei gewesen, dieses Elfmeterschießen.«
Massoud war damals selbst Fan, er zittert jetzt am ganzen Körper, er springt auf
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