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Ich werde rennen wie ein Schwarzer, um zu leben wie ein Weisser

Titel: Ich werde rennen wie ein Schwarzer, um zu leben wie ein Weisser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ewers
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Fußball. Sie glaubt nicht, dass ich später einmal davon leben kann. Ich bin sicher: Ich werde mein Geld schon machen. Wer es in Saint Michel packt, der packt es auch woanders.
    In der nächsten Saison werde ich für Sylla & frères spielen, das ist eine kleine Fußballakademie in Abobo, in der Nähe von Abidjan. Ich will es so machen wie mein Freund Ali, der ist direkt von Abobo
zu GD Sagrada Esperança gegangen, in die erste angolanische Liga. Ein Probetraining bei Sylla & frères habe ich schon absolviert. Es lief gut, ich habe meine Tore gemacht, aber alles war fremd für mich: das riesige Feld, die riesigen Tore, der ganze Ärger. Jeder im Team hatte eine bestimmte Aufgabe, und wenn sich einer zu weit wegbewegte von seiner Position, hat der Trainer gebrüllt und das Spiel unterbrochen.
    Du brauchst eine Taktik im Profifußball, eine Ordnung, klar, aber Fußball heißt auch, den Ball laufen zu lassen, darauf zu vertrauen, dass deine Leute Augen haben und Fantasie. Messi, Ronaldinho, Cristiano Ronaldo - die sind doch Stars geworden, weil sie auf dem Platz das Unmögliche tun. Und nicht, weil sie das Spiel ihres Trainers spielen.
    Ich werde mich umstellen müssen in Abobo, und das wird weh tun. Ich liebe das Wilde am Fußball, das Ungezähmte. Ich werde nicht aufhören bei La Dream Team, so lange ich noch in Abidjan lebe. Fünf Uhr nachmittags, Kreuzung Rue d’Eglise Béthnique / Rue Grâce, das ist drin in mir. Das kriegt niemand mehr raus.

GESEGNETER BODEN
    Am Anfang war der Spinat. Roger Ouégnin sah, dass er prächtig wuchs auf dem Acker in M’Pouto, im Nordosten von Abidjan, tiefgrün, fast schon ledrig die Blätter, und das Schönste dabei war: Die Bauern mussten nicht viel tun. Sonne und Regen zogen das Gemüse groß, Landarbeiter harkten gelegentlich das Feld, jäteten ein wenig Unkraut, mehr taten sie nicht. Gartenarbeit war Ouégnins Hobby, Fußball seine Leidenschaft, und im Sommer 1990 ließ der Präsident des ivorischen Erstligisten Asec Mimosas eine Fußballschule auf dem Acker errichten. Ouégnin nannte sie Sol Béni, gesegneter Boden.
    Natürlich ist das ein wunderbares Bild, eine Fußballschule, die auf fruchtbarem Boden steht, das ist eine Einladung, eine Steilvorlage für Sprachspiele, und als Roger Maurice Désiré Ouégnin am 19. November 2009 das zwanzigste Jahr seiner Präsidentschaft feierte, sagte er: »Die Saat ist aufgegangen, wir haben reichlich geerntet in der Vergangenheit. Lasst uns das Feld weiter bestellen.«
    Sol Béni hat Ouégnin zu einem reichen Mann gemacht, die besten Schüler seiner Akademie transferierte er nach Europa, und dort wurden sie zu Stars: Die Verteidiger Kolo Touré und Emmanuel Eboué bei Arsenal London, Mittelfeldspieler Yaya Touré beim FC Barcelona, Stürmer Salomon Kalou beim FC Chelsea und Spielmacher
Didier Zokora beim FC Sevilla. Ouégnin hat aber nicht nur die talentiertesten Spieler außer Landes gebracht, er hat der Elfenbeinküste auch etwas gegeben: eine starke Nationalmannschaft, an die dieses von ethnischen Konflikten zerrissene Land glauben kann. Eine Mannschaft, die es eint, wenigstens für die Wochen einer Weltmeisterschaft.
    69
    Zur WM 2006 in Deutschland reiste die Fédération Ivoirienne de Football mit 23 Spielern; 16 davon stammten aus der Asec-Akademie. Die Elfenbeinküste schied damals unglücklich in der Vorrunde aus, nach einem Sieg gegen Serbien und knapp verlorenen Spielen gegen die Niederlande und gegen Argentinien. Auch in den Qualifikationsspielen für die WM 2010 waren die Sol Béni-Schüler stark vertreten: Von den elf Ivorern, die am 29. März 2009 Malawi mit 5:0 schlugen und damit die Teilnahme am Turnier in Südafrika perfekt machten, hatten neun die Akademie besucht.

    Absolventen der Akademie nach einem Testspiel

    Sol Béni ist eine afrikanische Erfolgsgeschichte, ein Modell, das zeigt, dass es sehr wohl möglich ist, die eigene Identität, in diesem Fall die ivorité zu bewahren, und sich gleichzeitig europäischen Einflüssen zu öffnen.
    70
    Jean-Marc Guillou, ein ehemaliger französischer Nationalspieler, entwickelte 1993 das Scoutingsystem und das Ausbildungsprogramm für die Akademie. 2002 übernahm sein Landsmann Pascal Théault aus Caen, und seit 2008 ist Walter Ammann, 59, geboren in Interlaken, Schweiz, der Schulleiter.
    Oberster Chef blieb während all der Jahre aber ein Afrikaner, Roger Ouégnin, 59, Rechtsanwalt mit Kanzlei in Abidjan.

    Akademie-Chef Walter Ammann mit der U14
    Walter Ammann steht auf dem

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