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Ich werde rennen wie ein Schwarzer, um zu leben wie ein Weisser

Titel: Ich werde rennen wie ein Schwarzer, um zu leben wie ein Weisser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ewers
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begann mit einer großen Portion Faulheit und einer Apfelsine«, sagt Nassor. »Wenn wir am Sonntag meine Großeltern besuchten, wollte ich nicht mitkommen, sechs Meilen laufen, das war nichts für mich. Bis mein Vater auf die Idee kam, mir eine Apfelsine zuzuschießen auf dem Weg. Ich war vier oder fünf Jahre alt, ich bin gerannt wie ein Hund, mit hängender Zunge, ich habe
die Apfelsine getreten und getreten, bis sie nur noch Matsch war. Kein Wunder, dass ich später Abwehrspieler geworden bin.«
    Seif Nassor war einer der besten Verteidiger, die Malindi jemals hatte. Zwanzig Jahre, von 1954 bis 1974, spielte er auf der linken Seite. Nach seinem Debüt gegen den Vikokotoni SC trugen ihn die Fans auf den Schultern vom Stadion ins Vereinsheim. Nassor hatte Hija Saleh ausgeschaltet, den Wunderstürmer, den der Stadtrivale eigens aus Dar es Salaam hatte einfliegen lassen. Es war der 16. August 1954, Malindi siegte 3:2, und Nassor, 19 Jahre alt, besaß plötzlich ein kleines Vermögen. Rund 150 Shilling hatten ihm die Fans in Münzen und kleinen Scheinen zugesteckt. Damals war die Währung noch stark, 150 Shilling entsprachen dem Monatsgehalt eines Lehrers.
    »In den Fünfzigern waren wir wie im Rausch bei Malindi«, sagt Nassor, »wir gewannen Cups und Meisterschaften, und wir merkten nicht, dass uns die Kolonialherren zu anderen Menschen machen wollten mit ihrem Fußball. Die Briten bestimmten die Regeln, sie entschieden, wer in welcher Mannschaft spielt, sie verlangten Gehorsam, und wir ließen vieles mit uns machen, weil wir keinen Ärger wollten. Wir wollten die Helden der Insel sein.«
    Arbeiter der britischen Eastern Telegraph Company hatten den Fußball Ende des 19. Jahrhunderts nach Sansibar gebracht. Sie legten Telefonkabel und verbanden die Insel mit Aden im Jemen und mit Großbritannien, der Besatzungsmacht. In ihrer Freizeit spielten die Fremden Fußball, Cricket und Feldhockey, zunächst nur untereinander, doch bald schon ließen sie Einheimische mitmachen.
    Etwa zur selben Zeit, um 1871, gründete die Universities’ Mission to Central Africa (UMCA) das St. Andrew’s College auf Sansibar. Es war ein Seminar für Lehrer und Mönche, die nach Ost- und Zentralafrika
entsendet werden sollten, um Kirchen und Schulen zu errichten. Fußball war ein wichtiger Inhalt im Curriculum des Colleges, er schien der UMCA besonders geeignet für die »Zivilisierung« und »Stabilisierung« der »faulen Afrikaner«. Fußball sollte sie lehren, ihre eigenen Wünsche für ein höheres Ziel zu unterdrücken. Für eine Mannschaft, für die Arbeit, für das Vereinigte Königreich. Die Briten nannten das muscular christianity .
    Seif Nassor nennt es Spielzeug-Politik. »Sie haben uns den Fußball gegeben, wie man jammernden Kindern Spielzeug schenkt: Hier, nehmt, spielt, und seid schön ruhig. Vielleicht haben die Briten mit ihren Mannschaften gar nicht so ungern gegen uns verloren. Wir hatten unsere kleinen Siege auf dem Platz, und sie hatten das Kommando im echten Leben.«
    Um ihre Macht bangten die Briten permanent auf Sansibar. Ständig beschlossen sie neue Verbote, auch für den Fußball, sie stellten neue Regeln auf, gründeten neue Verbände und neue Kontrollinstanzen, nichts fürchteten sie mehr, als dass ein Verein Keimzelle einer politischen Bewegung werden könnte. Sie untersagten die sogenannten racial clubs , Klubs, in denen sich Spieler einer bestimmten Ethnie versammelten. Auf Sansibar lebten nicht nur Afrikaner, sondern auch Komoren, Inder, Perser und Araber, alles starke Minderheiten - was bloß, wenn diese sich organisierten und für ihre Rechte kämpften?
    Die Briten lösten den African Sports Club auf, ebenso den Comorian SC und Hadhramout SC, und 1942 musste sich auch der Arab Sports Club neu gründen. Er hieß fortan Malindi SC, benannt nach dem Stadtviertel, in dem er beheimatet war. Seif Nassor wuchs hier auf, aber er ließ sich nicht bekehren von der muscular
christianity der Briten, er blieb Muslim, wie seine Vorfahren, die aus dem Oman stammen. Nassor lernte Englisch, die Sprache der Kolonialherren, besuchte ihre Schulen, befolgte ihre Gesetze, begriff, dass der Fußball, den er in den Gassen von Malindi gespielt hatte, wenig zu tun hatte mit dem Fußball der Briten.
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    Als Nassor noch ein Schulkind war, trickste er mit einem kandimu , einem Tennisball, und nur gelegentlich schossen seine Freunde und er aufs Tor, das meist eine leere Obstkiste war. »Wir haben die Tore nicht gezählt, denn die

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