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Ich werde rennen wie ein Schwarzer, um zu leben wie ein Weisser

Titel: Ich werde rennen wie ein Schwarzer, um zu leben wie ein Weisser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ewers
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in seinem kleinen Büro am Hafen, wenn er vom 29. Oktober 1995 gegen Tunis erzählt. »Es war ein Schock, eine Lähmung«, ruft Massoud. »Aber nicht nur für unseren Klub. Es war eine Blamage für die Politik, für unser schönes, neues System, das sich Demokratie nannte. Und, was war es? Verarschung, nichts anderes war es.«
    Am 22. Oktober 1995, wenige Tage vor dem Spiel gegen Etoile, hatten auf Sansibar die ersten sogenannten multiparty elections stattgefunden. Wahlen, bei denen sich das Volk frei zwischen mehreren Parteien entscheiden konnte. Die vormalige Einheitspartei Chama Cha Mapinduzi (CCM) hatte sich zum klaren Gewinner erklärt, die Civic United Front (CUF) aber sprach von Betrug, und auch zahlreiche internationale Beobachter zweifelten das Wahlergebnis an, es kam zu blutigen Unruhen.
    Einer der wenigen Verlierer in den Reihen der siegreichen CCM war Seif Rashid, Kandidat für den Wahlkreis Malindi. Rashid war ein berühmter Mann im Viertel, Präsident des Malindi SC, und Mohammed Naushad, der Klubmanager, hatte Wahlkampf für ihn gemacht. »Naushad hat versucht, Stimmen zu kaufen«, sagt Mohammed Massoud. »Er ist durch Malindi gegangen und hat jedem Geld gegeben, der ihm versprach, Rashid zu wählen.

    Naushad war sehr großzügig, er hat Scheine verteilt, als wäre das Spielgeld.«
    Als das Wahlergebnis verkündet wurde, Rashids überraschende Niederlage, sei Naushad »out of control« gewesen, sagt Massoud. »Lügner, ganz Malindi ist voller Lügner!«, habe er gebrüllt, »ich will nicht mehr, ich gehe.«
    Einige Alte im Verein, Spieler aus den glorreichen Fünfzigern, konnten ihn ein bisschen beruhigen. Sie brauchten einen Tag und die halbe Nacht, sie beschwörten Naushad: Mohammed, wir gewinnen gegen Etoile, wir gewinnen auch das Finale - dann hast du deinen Triumph, und halb Afrika kennt deinen Namen. Wer spricht dann noch von Politik?
    Am 29. Oktober 1995 waren auch Sansibars Präsident Salmin Amour und sein Parteifreund Seif Rashid im Amani Stadion. »Der Befehl kam in der Halbzeitpause, von oben. Er lautete: Ihr müsst verlieren!«, sagt Massoud, »Malindi war nicht mehr Rashids Verein, er sah nur noch Feinde, er wollte uns zerstören.« Naushad habe sich erst geweigert, das Kommando weiterzugeben, sagt Massoud. »Erst als sie ihm drohten, dass er Probleme bekommen würde mit seinen Geschäften, ist er eingeknickt. Kurz vor dem Elfmeterschießen war das. Aber Naushad hat sich lange gewehrt, das muss man anerkennen.«
    Manager Massoud sagt das ganz ruhig, da ist kein Zorn mehr in der Stimme, eher eine Spur Ehrfurcht, vielleicht auch Angst? Massoud kann auf rätselhafte Weise trennen zwischen dem Spiel, das er verflucht, und Naushad, der es opferte.
    Naushad, der 1995 ausstieg bei Malindi, ist noch immer ein mächtiger Mann auf Sansibar. In Afrika nennen sie jemanden wie
ihn little big man . Die großen big men sind Herrscher, die ihr eigenes Volk ausbeuten, die es verhungern und ausbluten lassen, die ermorden, wer ihre Autorität infrage stellt. Ihre Namen waren in der Vergangenheit Idi Amin (Uganda), Mobuto Sésé Seko (Zaire), Jean-Bédel Bokassa (Zentralafrikanische Republik) und Haile Selassie (Äthiopien). Heute gibt es noch Mamadou Tandja in Niger und Robert Mugabe in Simbabwe, an der Macht seit 1980.
    Die großen big men werden weniger in Afrika, aber die kleinen nehmen zu, sie arbeiten in Nischen, sie haben kein politisches Amt, aber sie haben Einfluss. Sie wollen in Ruhe ihre Geschäfte machen können, und dafür zahlen, bestechen und korrumpieren sie Staatsbedienstete. Und sie haben ganze Clans und Familien im Griff, mitunter ganze Dörfer, denn sie geben Arbeit. Sie müssen nicht mit Waffen drohen, nur mit Rausschmiss. Sie sind die heimlichen Herrscher Afrikas.
    In Stone Town erzählen die Leute, dass die Polizei Angst vor Mohammed Naushad habe - und nicht er vor der Polizei. Zitieren lassen möchte sich niemand, und auch Mohammed Massoud wird wortkarg, wenn es um Naushads heutiges Leben geht. Welche Geschäfte macht er? »Naja, schreiben Sie: Import und Export.«
    Naushad wohnt in Paje, eine Autostunde von Malindi entfernt. Dort sieht der Strand aus wie eine Fototapete, blau der Himmel, türkis das Wasser, weiß der Sand. Naushad gibt keine Interviews, er lebt im Verborgenen, seit Jahren schon. Auf dem Dach hat er eine Satellitenschüssel, er schaut gelegentlich die englische Premier League, doch zu Massoud hat er erst kürzlich gesagt: »Ich habe mir damals das Herz rausgerissen,

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