Ich werde rennen wie ein Schwarzer, um zu leben wie ein Weisser
wartet die Republik auf freie Wahlen, aber nichts passiert.
Trotzdem hat noch keiner der Jungs die Akademie vorzeitig verlassen, niemand bekommt ein Gehalt von Asec, noch binden die Geschichten von früher und der Stolz, Schüler einer sagenumwobenen Schule zu sein. Noch hält das die Mannschaft zusammen.
»Der Druck von außen wird größer«, sagt Ammann. »Wir können nur mit Erfolgsgeschichten dagegenhalten. Jeder von uns, der nach Europa geht und es packt, bestätigt das Programm. Und es lohnt sich zu warten, man kann es ja sehen: Jedes Jahr hängen ein paar Bilder mehr im Frühstücksraum.«
Solch ein Problem, dass ihnen jemand ein Talent abspenstig machen will, hätten sie allzu gern in Kapstadt, Südafrika, 5000 Kilometer Luftlinie von Sol Béni entfernt.
Oder sind es Lichtjahre?
Ajax Amsterdam, niederländischer Rekordmeister und Champions League-Sieger 1995, hatte auch mal die Idee, eine Akademie aufzubauen, ein sogenanntes Farmteam. Vor elf Jahren kaufte sich Ajax in die südafrikanische Premier Soccer League ein und fusionierte die beiden Klubs Seven Stars und Cape Town Spurs zu Ajax Cape Town. Die Filiale sollte der Zentrale in Amsterdam fertig ausgebildete Spieler zuliefern, das war die Idee, und damit das reibungslos klappt, brachte Trainer Leo van Veen die Lehrpläne aus der berühmten Ajax-Jugendabteilung mit nach Südafrika. Nach diesen Plänen hatten Anfang der Neunzigerjahre schon Edgar Davids, Patrick Kluivert und Clarence Seedorf trainiert, sie wurden später Weltstars, sie spielten für Klubs wie Real Madrid, AC Mailand, FC Barcelona und Manchester United. Und jetzt wollte Ajax in den Townships von Kapstadt die nächsten Supertalente finden und formen.
Aber das schaffte Trainer Leo van Veen nicht. Das schaffte auch sein Nachfolger Henk Bodewes nicht, das schafften acht Trainer in zehn Jahren nicht. Nur ein einziger Spieler aus dem Farmteam brachte es zu einer beachtenswerten Laufbahn in Europa: Steven Pienaar, fünf Jahre Ajax Amsterdam, ein Jahr Borussia Dortmund, seit 2007 beim FC Everton.
Sie waren sich nicht sicher in der Zentrale, im Winter 2008. Kapstadt schließen? Oder noch einmal investieren? Neues Konzept, neues Personal, einen letzten Versuch wagen? Es gab wochenlange Diskussionen, es ging schließlich um Millionenbeträge, aber am Ende schickten sie Maarten Stekelenburg nach Südafrika, den stellvertretenden Chef der Ajax-Jugendabteilung.
Stekelenburg, 37, hat ein Büro im Keller des Trainingszentrums am Frans Conradie Drive, in Parow North, einem grünen Vorort von
Kapstadt. Sein Schreibtisch ist sehr aufgeräumt, und Stekelenburg hat auch eine sehr klare Art, mit Menschen umzugehen. »Wie lange brauchen wir, zehn Minuten?«, sagt er zur Begrüßung. Und dann erzählt er zehn Minuten lang, dass Ajax ein Klub mit Weltruf sei, der genau wisse, wie man mit Kindern und Jugendlichen umgehen muss. »Schauen Sie, ich habe Rafael van der Vaart, Wesley Sneijder und Ryan Babel trainiert. Ajax bringt immer wieder Topspieler heraus. Man muss in Afrika nur ein paar kleine Dinge anders machen, dann hat man Erfolg. Und man muss Druck machen, viel Druck.«
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Stekelenburg sagt, dass er früher schon, als Innenverteidiger in der dritten niederländischen Liga, ein »pain in the ass« für seine Gegenspieler gewesen sei. »Und jetzt trete ich den Leuten hier ein bisschen auf die Füße.«
Er beruhigt sich dann irgendwann, Maarten Stekelenburg ist ein ehrgeiziger Mann, der vor einer gewaltigen Aufgabe steht, einer Aufgabe, die seine Karriere bei Ajax beschleunigen kann oder eben auch beenden. Stekelenburg hat sich zurückgelehnt in seinem Schreibtischstuhl, die Hände hinter dem Kopf verschränkt, er sagt nun, es werde vielleicht Jahre dauern, bis das Farmteam in Kapstadt wirklich funktioniere. »Es nützt nichts, eine kleine Ajax-Insel im Ozean zu sein. Wir brauchen viele Inseln, wir brauchen Kooperationen mit Vereinen, mit Schulen, mit Trainern, die sich auskennen in den Townships. Allein sind wir verloren.«
Maarten Stekelenburg, Leiter der Jugendabteilung von Ajax Cape Town
Jahrelang hatten sie nur auf die eigene Stärke vertraut, sie hatten ihren Masterplan aus Amsterdam über Kapstadt gelegt, und dass sie keinen Erfolg damit hatten, machte sie zunächst verbissen, dann gleichgültig, und 2008, im Jahr der Weltwirtschaftskrise, verzweifelt. Ajax ist ein Sinnbild für europäische Arroganz gewesen, ein Beispiel dafür, dass mit einer kolonialen Attitüde nichts mehr zu erreichen
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