Ich werde rennen wie ein Schwarzer, um zu leben wie ein Weisser
des Kontinents zu sein. Der Weltverband Fifa verlieh die Auszeichnung »Modellklub Afrikas«, es gab mehrere nationale
Preise, dazu die lange Liste der prominenten Schüler - die Akademie musste um die größten Talente der Stadt nicht kämpfen.
Doch die Konkurrenz hat sich verschärft in den vergangenen Jahren. Zahlreiche Akademien sind gegründet worden, Agenten aus Europa, Asien und Südamerika tauchen regelmäßig auf, und Sol Béni trägt selbst Schuld daran. Am Nachmittag des 7. Februar 1999 gab es nämlich einen Urknall im Stade Félix Houphouët-Boigny von Abidjan, eine Partie, die der Fußballwelt vor Augen führte, wie stark und wie erwachsen junge Ivorer spielen können.
Im Finale des Supercups empfing Asec Mimosas den tunesischen Klub Espérance Sportive de Tunis. Es war das Spiel afrikanischer Champions League-Sieger gegen Pokalsieger. Doch die Mannschaft, die Asec aufs Feld schickte, war nicht das Meisterteam. Es war die U17 aus Sol Béni, von der Nummer eins im Tor bis zur Nummer elf im Sturm. Als der Espérance-Präsident Slim Chiboub das bemerkte, schimpfte er: »Es ist eine Schande, dass wir gegen Kinder spielen müssen.«
Die Asec-Junioren legten wie entfesselt los. In der 36. Minute schossen sie das 1:0, dann nahmen sie das Tempo aus der Partie, um es wenig später zu verschärfen und gleich wieder zu drosseln. Sie spielten Jojo mit dem Pokalsieger aus Tunis, sie führten ihn vor, Kolo Touré, Didier Zokora, Siaka Tiéné, sie waren so furchtlos, so selbstsicher, dass es schon ein wenig arrogant wirkte. Und es ging gut - bis zur 88. Minute. Tunis erzielte per Foulelfmeter den Ausgleich, das schon gewonnen geglaubte Spiel war plötzlich wieder offen.
Und wieder hatten die Sol Béni-Schüler die passende Antwort. Keine zehn Minuten später, in Minute sechs der Verlängerung, trafen sie zum 2:1, kurz vor Schluss gar noch zum 3:1.
Es war verzückend und auch verstörend, wie lässig, wie souverän
diese namenlosen Jungs den afrikanischen Pokalsieger herspielten. Es war die Geburtsstunde einer neuen ivorischen Nationalmannschaft, einer der besten Mannschaften Afrikas, vielleicht sogar der Welt.
Das konnte damals, am 7. Februar 1999, noch niemand ahnen im Stade Félix Houphouët-Boigny, aber heute weiß das ganze Land, dass es ein einzigartiges Team ist, das in Südafrika um den WM-Pokal kämpfen wird. Génération d‘or, goldene Generation, wird die Mannschaft um Kapitän Didier Drogba genannt, den einzigen Star in der Auswahl, der nicht aus Sol Béni stammt. Drogba kam schon als Kind nach Frankreich, sein Onkel, ein ehemaliger Fußballprofi, nahm ihn in Pflege und führte ihn von Brest über Le Mans zu Olympique Marseille in die erste Liga.
Walter Ammann spürt die Strahlkraft dieser goldenen Generation, er kann sie aus den Gesichtern seiner Schüler lesen, wenn ihnen die Assistenztrainer von den Helden des 7. Februar 1999 erzählen. Ammann sagt: »Die Jungs wollen Geschichten von früher hören, sie sind gierig danach, sie wollen sich hineinträumen in dieses Märchen.«
Der Frühstücksraum ist vollgehängt mit Fotos ehemaliger Sol Béni-Spieler, ein geschickter Zug des Trainerstabs, denn die großformatigen Porträts sind Feuer und Wasser zugleich. Sie machen Mut, sie spornen an, sie sagen: Du kannst meinen Weg gehen, du kannst es schaffen. Sie sagen auch: Noch hast du keinen Namen, noch bist du nur ein Talent, deshalb arbeite hart.
Die Bilder stellen die Frage nach der eigenen Position, und darum geht es jeden Tag in der Akademie Sol Béni, vormittags im Schulunterricht, in den Mathematik- und Französischstunden, und nachmittags auf dem Trainingsplatz, es geht um eine Antwort auf die Frage:
Wo stehe ich? Was sind meine Stärken, was meine Schwächen? Woran muss ich arbeiten, und was ist verzeihlich?
Amman hilft, er führt, lenkt, er gibt Hinweise, Denkanstöße, aber selten gibt er Antworten. »Die Spieler müssen ein Gefühl für sich selbst bekommen«, sagt er. »Ich möchte starke Jungs, die wissen, wo ihr Limit liegt. Auf dem Platz müssen sie auch allein entscheiden, manchmal im Bruchteil einer Sekunde.«
Walter Ammanns Spieler sind begehrt, immer wieder gibt es Abwerbeversuche von Agenten, die einen schnelleren Weg zum großen Geld in Europa versprechen. Warum erst mit 18 Jahren kassieren, wenn es auch schon mit 15 geht? Warum bleiben in einem Land mit düsterer Perspektive? 40 Prozent der Ivorer sind arbeitslos, 53 Prozent können nicht lesen und nicht schreiben, seit Jahren
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