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Ich werde rennen wie ein Schwarzer, um zu leben wie ein Weisser

Titel: Ich werde rennen wie ein Schwarzer, um zu leben wie ein Weisser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ewers
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    DER AUSSERIRDISCHE
    Sie lachen nicht mehr, aber sie haben lange gelacht, zehn Jahre vielleicht? Es hat aufgehört, als ich 16 war, an einem Sonntagnachmittag im Mai 1999, seitdem sind meine Freunde stolz auf mich. Mein erstes Spiel in der Premier League, für Accra Great Olympics: Wir gehen früh gegen die Gamba All Blacks in Führung, 1:0 nach einer Viertelstunde, und die wehren sich, machen Druck, schießen aus allen Lagen, wir kommen aus der Abwehr gar nicht mehr heraus. Aber ich fauste alle Bälle weg. Ich halte den Sieg fest.
    Als ich ein kleiner Junge war, konnte ich mir nicht vorstellen, dass ich es mal bis in die erste Liga schaffen würde. Torhüter zu sein in Ghana ist hart, vor allem wenn du noch ein Kind bist. Ich bin in Koforidua aufgewachsen, das liegt anderthalb Autostunden von Accra entfernt. In meiner Straße haben alle gelästert: Du stellst dich nur ins Tor, weil du zwei krumme Füße hast, weil du nicht dribbeln und nicht tricksen kannst wie wir. Aber das war Blödsinn, denn ich wollte nie etwas anderes sein als Goalkeeper. Ich wollte so sein wie mein Vater, der für Bofoakwa Tano Sunyani in der ersten Liga gehalten hat und für die Holy Stars in der zweiten. Jeder bei uns in der Straße wusste, dass mein Vater ein guter Torwart war - aber geglaubt hat mir keiner, dass er mein Idol ist. Sie haben mich behandelt wie einen Außerirdischen.

    In Ghana, nein, in ganz Afrika lieben die Leute Spieler, die Tore schießen und nicht die, die sie verhindern. Wir haben Didier Drogba von der Elfenbeinküste, Samuel Eto’o aus Kamerun und Emmanuel Adebayor aus Togo, alles Superstürmer, und dann ist da natürlich noch unser Michael Essien aus Accra, Mittelfeldmann beim FC Chelsea. Auch Weltklasse. Aber gibt es einen einzigen afrikanischen Torwart, der berühmt ist in Europa?
    Gibt es nicht. Kein Wunder, denn wir Keeper kriegen nicht nur von den Fans wenig Respekt, sondern auch von den Klubs. In Afrika musst du dir das meiste selbst beibringen, gute Torwarttrainer gibt’s nicht viele. Und in Ghana dürfen sie auch nicht viel kosten. In Ghana wird nämlich vor allem in die Offensive investiert. Wenn eine Mannschaft schlecht spielt, schreiben die Zeitungen: Die brauchen neue Stürmer. Niemand sagt: Die Abwehr wackelt. Oder: Nehmt mal ordentlich Geld in die Hand für einen neuen Torwart.
    Ich habe Asante Kotoko verlassen, den berühmtesten Klub unseres Landes, weil ich eine vernünftige Ausbildung wollte. Bei Sekondi Wise verdiene ich jetzt 200 Dollar im Monat, das reicht gerade so zum Leben, aber ich sehe die Zeit hier als Investition. Mohammed Malik ist mein Lehrer, ein ganz abgezockter alter Keeper. Der ist schon durch tausend Feuer gegangen. Und Geschichten erzählen kann der! Malik kümmert sich nur um meinen Stellvertreter und mich, in jeder Trainingseinheit. Mich lobt er viel, auch wenn ich mal patze. Er erzählt gern von früher, wie er sich runtergekühlt hat vor großen Spielen. Nur mit Denkspielchen. Ich bin schon sicherer geworden, seit Malik mit
mir übt. Vor allem beim Rauslaufen, das ganze Gewusel im Fünf-Meter-Raum hat mich früher oft nervös gemacht.
    Ich bin jetzt schon 25, aber ich kann noch viel lernen, und ich muss es auch, denn ich will mal so gut werden wie Oliver Kahn. Wie der früher beim FC Bayern seine eigenen Leute angebrüllt hat - Wahnsinn. Würde ich mich nie trauen. Aber so musst du es machen als Torhüter, du musst laut sein, du musst die Mannschaft dirigieren. Hinten bist du der Chef.
    Jedes Wochenende schaue ich mir im Fernsehen ein Spiel aus der englischen Liga an, und dienstags und mittwochs läuft bei mir Champions League. Madrid, Barcelona, Bayern, Chelsea, ich nehme alles mit, was ich kriegen kann. Das ist die beste Schule, die man sich vorstellen kann. Ich merke mir genau, wie sich so ein Petr Czech bewegt im Strafraum, wie er seine Abwehr stellt, was er macht, wenn ein Stürmer allein auf sein Tor zuläuft. Ich bin Chelsea-Fan geworden, weil ich Petr Czech mag. Und nicht wegen Michael Essien. Czech ist weich wie eine Katze, wenn er springt, und er hat tolle Reflexe auf der Linie.
    Mein jüngerer Bruder Sherif mag Czech auch, und manchmal schauen wir uns gemeinsam ein Chelsea-Spiel an. Sherif ist Torhüter wie ich, aber er spielt nur in der zweiten Liga, für die Techimam Rovers. Er ist unglücklich, denn er sitzt oft auf der Bank. Das ist auch hart, in Ghana zweite Wahl bei einem Zweitligisten zu sein - als Torwart.
    Sherif hat mir letztens gesagt, seine

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