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Ich werde rennen wie ein Schwarzer, um zu leben wie ein Weisser

Titel: Ich werde rennen wie ein Schwarzer, um zu leben wie ein Weisser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ewers
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ist. Ein Beispiel dafür, dass es ein neues Denken braucht, eine neue Haltung. Wer Erfolg haben will in Afrika, muss sich einstellen auf die Menschen, auf ihre Stärken und Schwächen, auf ihr Leben.
    Und er muss sich weiter vorwagen, wenn er Talente sucht, er muss tiefer hinein in die Townships. Vier Millionen Menschen wohnen in den Siedlungen am Western Cape, einige in Häusern aus Stein, die meisten in Wellblechhütten und immer mehr in Baracken, Verschlägen und Unterschlüpfen, notdürftig zusammengenagelt aus Holzlatten und Plastiktüten.
    Hier gibt es kaum Infrastruktur, keine Ordnung, nichts, worauf sich ein Scoutingsystem aufbauen ließe, hier gibt es noch nicht einmal Tore, und der Ball ist manchmal nur ein Knäuel aus alten Klamotten. Hier wären Kontakte wichtig, Helfer vor Ort, denn hier, in den riesigen Townships von Manenberg, Khayelitsha oder Mitchell’s Plain, wissen viele Kinder gar nicht, dass es Ajax Cape Town überhaupt gibt.

    »Wenn die Jungs erst mit 13 oder 14 Jahren zu uns kommen, ist es oft schon zu spät. Du kannst sie nicht mehr prägen, sie werden für immer Straßenfußballer bleiben. Begnadet am Ball, aber ohne Blick fürs Spiel.«
    Das sagt Foppe de Haan, 66, Trainer des Erstligateams von Ajax Cape Town. Auch de Haan ist neu in Kapstadt, er kam im Herbst 2009, zuletzt war er fünf Jahre Bondscoach der niederländischen U21-Auswahl und davor 19 Jahre Trainer des SC Heerenveen. Er muss mit den Spielern arbeiten, die Stekelenburg ihm hochschickt - sie haben noch nicht die Klasse, die beide sich wünschen. »An manchen Tagen bin ich kurz davor, wahnsinnig zu werden, weil die Jungs nicht verstehen, welchen Fußball ich will«, sagt de Haan. »An anderen macht es mich glücklich, kleine Fortschritte zu sehen, dann denke ich: Es macht doch Sinn.«
    De Haan ist nicht wirklich Cheftrainer bei Ajax Cape Town. Er ist Nachhilfelehrer, er bimst Taktik mit seinen Profis, er arbeitet mit Filzstift und Tafel, jeden Tag. Es geht darum aufzuholen, was seine Spieler nicht lernen konnten in den Gassen der Townships, weil der Fußball dort ein anderer ist: Mann gegen Mann auf engstem Raum, keine langen Bälle, immer Vollgas, selten Tempowechsel. Auf den Kunstrasenplätzen von Ajax Cape Town bekam ihr Spiel plötzlich eine neue Dimension, der Platz bekam Tiefe und Breite, unmöglich so weiterzumachen im Stakkato-Stil, kurze und kürzeste Pässe aneinanderzureihen.
    »Sie tun es aber immer wieder«, sagt Foppe de Haan, »sie spielen ihr Klein-Klein und wollen schneller sein als der Wind. Aber ihre Technik ist nicht gut genug für diesen Speed.« Darum muss de Haan bremsen, das Spiel anhalten, ordnen und erklären. Er spricht viel mit
seinen Spielern, er spricht auch mit Trainern kleinerer Klubs, samstags morgens fährt er öfter raus mit seinem Assistenztrainer und schaut sich Spiele in den Townships an.
    De Haan will Trainer qualifizieren, er sagt, es sei wie in einem Fahrstuhl, wenn das allgemeine Niveau steige, dann werde das auch die Qualität von Ajax Cape Town heben. »Unsere Nachwuchsteams brauchen dringend stärkere Gegner. Wir gewinnen jede Partie 20:0, wenn unsere Jungs gegen Gleichaltrige spielen. Besser, wir spielen gegen Mannschaften, die im Schnitt zwei bis drei Jahre älter sind.«
    De Haan besitzt nur einen Ein-Jahres-Vertrag, er wollte sich nicht länger binden. Im Sommer 2010 ist vorerst Schluss. Zu wenig Zeit, um die Versäumnisse der vergangenen zehn Jahre gutzumachen. Doch das ist auch nicht de Haans Anspruch. Er ist scharf in seiner Analyse und bescheiden in seinen Zielen. Er muss mit 66 nicht mehr die Welt verändern. Jedenfalls nicht mit Gewalt.
    De Haan ist das Gegengewicht zu Maarten Stekelenburg, der brennt, der die Chance seines Lebens wittert. De Haan weiß, dass es viel Zeit, Geduld und Herz braucht, um Spieler aus den Slums von Kapstadt nach Amsterdam zu bringen. Er weiß, dass Pläne nur Pläne sind, Theorien von Europäern über das Leben von Afrikanern. Er kennt das Chaos auf den kleinen Fußballplätzen der Townships, an guten Tagen macht es ihm Mut, dann spürt er darin Energie und Leidenschaft, an anderen raubt es ihm den letzten Nerv. Es hält sich die Waage.
    De Haan sagt, man müsse jetzt warten. Nicht dieselben Fehler machen wie damals, jedes Jahr ein neuer Trainer, neue Spieler, neue Pläne. »In zehn Jahren sind wir so weit«, sagt de Haan und grinst. Dieses Grinsen sagt: Wenn alles gut geht.

Mohammed Alhassan, 26
    Koforidua, Ghana
    Sekondi Eleven Wise

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