Ich werde rennen wie ein Schwarzer, um zu leben wie ein Weisser
Freunde würden über ihn lachen.
DREI HANDYS FÜR KÖNIG TUTU
Es gibt ein paar junge Männer in Accra, die planen eine Revolution. Sie könnten die Wende tatsächlich schaffen, denn sie haben Wissen und Kraft und Macht. Sie sind wortgewandt, sie sind schnell. Sie können auf einer Papierserviette skizzieren, was passieren muss, um den Fußball in Ghana zu retten.
86
Am Ende eines Abends mit Kurt Okraku, 40, und Kwame Baah-Nuakoh, 38, im Restaurant »Azmera« stehen ziemlich viele Pfeile auf der Serviette. Die Pfeile sind dicker geworden, Stunde um Stunde, Okraku hat sie immer wieder nachgezeichnet mit schwarzem Filzstift, während er fluchte über Gier und Misswirtschaft und während Baah-Nuakoh dozierte über Businesspläne und corporate identity.
Funktionäre Kwame Baah-Nuakoh (li.) und Kurt Okraku
Okraku ist seit Januar 2008 Geschäftsführer der ghanaischen Fußball-Liga (GHALCA). Baah-Nuakoh ist Executive Member der GHALCA, so steht es auf seiner Visitenkarte. Aber Baah-Nuakoh ist viel mehr, er ist promovierter Wirtschaftswissenschaftler, Spezialgebiet Sportmanagement, er ist Berater von Asante Kotoko FC, des berühmtesten Fußballklubs Ghanas. Und er ist Okrakus Freund seit Studienzeiten, sein Spiritus Rector, Baah-Nuakoh hat tausend Ideen, und Okraku hat das Feuer.
Okraku sagt: »Wenn die Klubs weiterhin geführt werden wie Getränkebuden, dann ist unsere Liga bald tot. Sie zuckt sowieso nur noch.« Baah-Nuakoh nennt die Fakten dazu: Seit Jahren sinkende Zuschauerzahlen, sinkendes Medieninteresse, sinkende Etats, Trainerwechsel im Wochentakt, Vertragsbrüche, zigfach, hundertfach. Kaum ein Spieler in Ghana bekommt sein volles Gehalt. »Die Zahlen in den Verträgen sind Fantasiezahlen, Blendwerk, Gaukelei«, sagt Baah-Nuakoh. »Meistens wird nur die Hälfte gezahlt, und das auch noch mit Verspätung.«
Baah-Nuakoh will einen »geistigen Wandel«, weg vom »Roulette-Spiel« der Klubchefs hin zu »langfristigem Denken, Transparenz und Seriosität«. Er will verbindliche Regeln. Er will ein Qualifizierungsprogramm für Führungspersonal, er will genauere Buchprüfungen und härtere Sanktionen.
Es wird ein langer Weg werden. »Wir stehen mit Macheten im Wald«, sagt Okraku, der leuchtende Metaphern liebt. »Es gibt verdammt viel Gestrüpp wegzuschlagen, doch unsere Klingen sind gewetzt.«
Um kurz vor Mitternacht schließt das »Azmera«, Okraku und Baah-Nuakoh zahlen und gehen zu ihren Autos. Okraku ruft: »Kwame, sag nicht, der Schrotthaufen dort ist dein Wagen!« Baah-Nuakoh kommt aus der Dunkelheit gestürmt, er kneift Okraku in die Seite, und Okraku kneift zurück, Schreie, Lachen, die beiden haben sich ineinander verhakt, der lange, schmale Baah-Nuakoh und der kleine Okraku mit dem Kugelbauch. Sie schieben, drücken, sie schnappen nach Luft, und die Krawatten an ihren Hälsen schaukeln knapp über dem Parkplatzschotter.
Das ist der Moment, in dem Zweifel kommen. Zweifel, ob Okraku und Baah-Nuakoh zuvor nicht übertrieben haben mit ihren drastischen Bildern und ihren Schimpftiraden. Ob sie nicht eben auch eine Rolle gespielt haben, die der Scharfrichter, so wie sie jetzt die kleinen Schuljungen geben, laut, albern, übergeschnappt.
Doch nach einer zweiwöchigen Reise durch den ghanaischen Fußball, zu Asante Kotoko in Kumasi, zu Sekondi Eleven Wise in Takoradi und zu den Hearts of Oak in Accra, nach diesen zwei Wochen wird nicht mehr viel übrig sein von jenen Zweifeln. Kein Urteil zu scharf im »Azmera«, kein Bild zu grell.
Ghana und Deutschland spielen bei der WM in einer Gruppe, ihre Ligen aber trennen Welten. Es ist eine Herkulesaufgabe, die Okraku und Baah-Nuakoh übernommen haben, und man versteht, dass sie eine Gegenwelt brauchen. Eine Sphäre, in der sie brüllen und rumtollen können wie Kinder, und wenn es nachts auf einem Restaurantparkplatz ist.
Dieser Job wäre anders nicht auszuhalten.
Asante Kotoko ist der Stolz der Ashanti-Region, gelegen im grünen Landesinneren, vier Stunden mit dem Auto von der Hauptstadt
Accra entfernt. Asante Kotoko ist vor allem der Stolz von König Otumfuo Osei Tutu II. Ihm gehört der Fußballklub, und manchmal kommt Tutu II. auch zu den Spielen, das heißt: Er lässt sich auf einer Sänfte ins Baba-Yara-Stadion tragen.
89
Die Ashanti verehren ihr Stammesoberhaupt, Geschäftsleute spenden Geld, damit Tutu II. in Prunk leben kann im Manhyia-Palast. Laut Verfassung besitzt der König nur noch informelle Macht. Ghana ist seit 1957 eine Demokratie, aber
Weitere Kostenlose Bücher