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Ich werde rennen wie ein Schwarzer, um zu leben wie ein Weisser

Titel: Ich werde rennen wie ein Schwarzer, um zu leben wie ein Weisser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ewers
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und keine ehemaligen Spieler. Vielleicht wird es Jahre dauern, aber ich schaffe es, wenn man mich lässt.«
    Sie werden ihn lassen. Sie brauchen einen wie Kwame Baah-Nuakoh bei Asante Kotoko - allein schon deshalb, weil er Geld bringt. Kürzlich erst ist er wieder eingesprungen, während der Verhandlungen mit dem Hauptsponsor Tigo, einem Mobilfunkunternehmen. Niemand im Klub verstand das komplizierte Vertragswerk, das Management
ließ Baah-Nuakoh aus Accra einfliegen, und der machte dann den Deal allein perfekt. Tigo verlängerte für drei Jahre und zahlt je nach sportlichem Erfolg bis zu einer Million Dollar pro Saison, mindestens aber 350.000 Dollar. Das ist mehr als das Doppelte dessen, was der alte Vertrag dem Klub garantierte.
    Vielleicht ist es die größte Stärke von Kwame Baah-Nuakoh und Kurt Okraku, dass sie frei sind. Baah-Nuakoh muss nicht Chef von Asante Kotoko werden; es ist nicht die erste und nicht die letzte große Chance in seinem Leben. Er könnte Universitätsprofessor in Accra werden, so wie sein Vater, er könnte auch zu einem großen Unternehmen ins Management gehen. Er hat die Wahl. Und falls Kurt Okraku scheitern sollte: Er hat neun Jahre in England gelebt, seine Frau und seine drei Kinder sind noch immer in Manchester. Er kann jederzeit zurück, zurück auch in seine Agentur Proton, die Sportveranstaltungen vermarktet und Fußballer berät, unter anderem Isaac Vorsah von 1899 Hoffenheim.
    Alternativen zu haben, einen Plan B und einen Plan C, machen es leichter für Baah-Nuakoh und Okraku, ihre Revolution zu starten. Strukturen, Regeln und Kontrollmechanismen zu beschließen, die einen Sturm der Entrüstung auslösen werden in den Klubs. Was soll schon passieren? Was kann kaputtgehen?
    Unabhängigkeit ist ein hohes Gut in einem Land wie Ghana, das zwar gemeinhin als afrikanischer Musterstaat gilt, aber doch ein Land der Vetternwirtschaft ist. Der Korruptionsindex von Transparency International führt Ghana auf Rang 69, hinter Ländern wie Georgien, Costa Rica und den Seychellen. Die ghanaische Gesellschaft fußt auf Clans und Großfamilien, es gibt ein dichtes Netz wechselseitiger Verpflichtungen und Abhängigkeiten. Dieses Netz bietet Sicherheit,
es kann den Einzelnen auffangen in der Not. Vor allem aber begünstigt es Filz, Geschacher und Korruption.
    »Man kann das auch anders nennen«, sagt Kurt Okraku. »Was für euch Europäer Filz bedeutet, bedeutet für viele Afrikaner Fürsorge und Solidarität. Wenn jemand etwas besitzt, ein Geschäft zum Beispiel, muss er teilen: Er muss Verwandten einen Job geben oder den Verwandten von Verwandten. Er kann nicht die besten Leute beschäftigen, die es gibt auf dem Markt. Er muss die nehmen, die ihm der Clan zuschiebt. Und er muss möglichst viele einstellen, so viele, wie er gerade noch bezahlen kann.«
    Kurt Okraku sitzt auf der Haupttribüne des Ohene Djan Sports Stadions in Accra. Unten auf dem Rasen läuft das Topspiel der Liga: Hearts of Oak, der amtierende Meister, gegen Asante Kotoko. Okraku ist Fan der Hearts, er sagt das nicht offen, aber er zuckt jedes Mal mit den Beinen, wenn die Rot-Blauen aufs Tor zustürmen und sich festfummeln und wieder nicht schießen, obwohl sie schießen müssten. Die Rot-Blauen, das sind seine Jungs. Aber wer genau da unten spielt, das weiß Okraku nicht, er fragt seine Sitznachbarn, er puzzelt sich das irgendwie zusammen.
    Wahrscheinlich kennt niemand der 25.000 Zuschauer hier die Namen zu allen Rückennummern, denn die Hearts of Oak haben 63 Spieler im Kader. Trainer Ayman El Yamani lässt jede Woche ein anderes Team spielen, er sucht noch nach einer ersten Elf, auch heute wieder, am neunten Spieltag.
    63 Spieler braucht kein Trainer der Welt, er muss ja nur eine Mannschaft bauen und nicht zwei oder drei. Viel wirtschaftlicher wäre es, nur 25 oder 30 Fußballer zu bezahlen - das ist eine normale Kadergröße.

    Nicht in Ghana. Asante Kotokos Trainer Paa Kwesi Fabin hat die Wahl zwischen 6 Torhütern, 17 Verteidigern, 8 Mittelfeldspielern und 14 Stürmern. 45 Spieler, so viele will Fabin gar nicht, und auch El Yamani will keine 63. Aber sie mussten sie nehmen, denn das Personal war schon verpflichtet, als beide ihre Jobs antraten.
    »In Ghana werden in jeder Saison zig Spieler geholt, die keine Chance auf einen festen Platz im Team haben«, sagt Okraku. »Transfers sind bei uns oftmals Versorgungsprogramme: Es kommen Spieler, die verwandt oder befreundet sind mit Funktionären aus dem Verein. Es kommen

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