Ich werde schweigen Kommissar Morry
starrten sie auf Ben Hopkins, der sie mit argwöhnischen Blicken musterte.
„Na los, macht schon. Habe euer ganzes Gespräch belauscht. Ihr seid unter die Hyänen gegangen, wie?“
„Scher dich weg“, knirschte Rex Chapel bösartig. „Wir haben das Geschäft allein eingefädelt. Wir wollen dich auch in Zukunft nicht dabei haben.“
„Davon war ja auch gar keine Rede“, brummte Ben Hopkins höhnisch. „Ihr könnt ruhig allein weiter arbeiten. Aber die Beute geht in vier Teile, verstanden? Macht zweihundertfünfzig für jeden. Na, wirds bald?“
Rex Chapel und Ernest Cropp kämpften wie die Löwen um ihre Silberlinge. Sie feilschten wie ausgekochte Marktweiber. Aber schließlich mußten sie doch kapitulieren. Einem Mann wie Ben Hopkins waren sie auf die Dauer nicht gewachsen.
„Na schön“, sagte Rex Chapel seufzend, „gib ihm deine fünfhundert, Ernest. Wir wollen keinen Streit haben.“
11
Obwohl man ihm versprochen hatte, ihn in Zukunft in Ruhe zu lassen, traute Pancras Holm dem Frieden nicht. Seine Stimmung blieb flau und gedrückt. Seine Zuversicht war tot wie eine verwelkte Pflanze. Jede Stunde erwartete er einen neuen Prankenhieb des Schicksals. Er hatte weder Lust, ins Parlament zu gehen, noch sonst etwas zu tun. Er wanderte ziellos durch die Straßen und vertrödelte sinnlos die Zeit.
Am Nachmittag stand er plötzlich vor dem Race Course am Alexandra Park. Es war, als hätten ihn unsichtbare Fäden hierhergezogen. Verwirrt blickte er zu dem Anwesen hinüber, das Melanie Garden gleich nach ihrer Ankunft in London gemietet hatte. Ich werde sie aufsuchen, schoß es ihm durch den Kopf. Sie ist die einzige, die mir noch helfen kann. Sie muß wissen, wer uns das Dasein zur Hölle macht und unser Leben bedroht. Vielleicht gibt sie mir einen Rat. Er schritt rasch durch das Tor und ging in auffälliger Eile auf das Hausportal zu. Er hatte kaum geläutet, da stand auch schon ein Mädchen in weißer Schürze und zierlichem Häubchen vor ihm.
„Wen darf ich melden?“, fragte sie mit jugendlicher Stimme.
„Lassen Sie diese Zeremonien“, sagte Pancras Holm ungeduldig. „Ich bin ein alter Bekannter von Mrs. Garden. Ich melde mich allein an.“
Sprachs und ging an dem verdutzten Mädchen vorüber in das Innere des Hauses. Mit einem Instinkt eines Schlafwandlers fand er den richtigen Weg. Er erriet sofort die Tür, die in den Empfangssalon führte. Er klopfte und trat kurz nachher ein. Zunächst erkannte er gar nichts, weil Melanie Garden noch kein Licht gemacht hatte. Ein graues Dämmerdunkel breitete sich in dem eleganten Raum aus.
„Wer sind Sie?“, fragte eine Stimme vom Diwan her.
Pancras Holm tat ein paar zögernde Schritte. Jetzt erkannte er sie wieder. Sie saß auf dem Sofa und blätterte gelangweilt in einem Magazin. Ihre dunklen Augen waren forschend auf ihn geheftet.
Pancras Holm nannte leise seinen Namen. „Sicher erinnern Sie sich noch an mich, Mrs. Garden“, sagte er linkisch. „Sie waren drüben oft mit mir zusammen. Ich durfte mich rühmen, Ihre besondere Gunst zu genießen und . . .“
Er stockte plötzlich. Jetzt erst bemerkte er den Zigarrenrauch, der noch immer im Zimmer schwebte. Im Aschenbecher lagen Streichhölzer und eine halb gerauchte Zigarre.
„Hatten Sie Besuch?“, fragte er mißtrauisch.
Melanie Garden überhörte die Worte. Sie richtete sich langsam auf. „Bitte nehmen Sie Platz“, sagte sie förmlich. „Was führt Sie zu mir? Ich wäre glücklich wenn Sie nicht über vergangene Zeiten reden würden, lieber Freund.“
Pancras Holm drehte unsicher seinen Hut zwischen den Händen. Er fühlte sich auf einmal merkwürdig unbehaglich in der Nähe dieser verführerischen Frau. Fast bedauerte er es, überhaupt hierher gekommen zu sein.
„Nun, was wünschen Sie?“, fragte Melanie Garden ein zweites Mal.
„Sie erraten es sicher“, stotterte Pancras Holm scheu. „Sie wissen so gut wie ich, daß seit unserer Rückkehr aus Brasilien ein tragisches Verhängnis über uns schwebt. Mark Vereston und William Dudley sind tot, Irving Bacon ist verschollen. Jeden Tag kann der Tod ein neues Opfer aus unseren Reihen fordern . . .“
„Sind Sie nur gekommen, um mir solch unerfreuliche Dinge zu berichten?“, fragte Melanie Garden mit gerunzelten Brauen. „Wissen Sie wirklich kein anderes Thema?“
„Doch“, sagte Pancras Holm hastig. „Da ist noch etwas, Mrs. Garden. Ich werde erpreßt. Da sind einige Leute, die von unseren früheren Beziehungen wissen.
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