Ich will doch nur küssen
ich auch mache. Du musst ganz von vorn anfangen und dir ein neues Leben aufbauen – und du darfst dabei nie vergessen, wer du bist und wer du sein willst.«
Das einzige Problem dabei war, dass Faiths Sicht der Dinge gerade eine Kehrtwende vollzogen hatte.
»Glaubst du denn, ich kann das?«, fragte Lanie.
Faith nickte. »Natürlich kannst du das. Ich bin auch gern bereit, dir zu helfen, aber dafür musst du bereit sein, mir auf halbem Weg entgegenzukommen.«
Damit hatte Faith die Regeln festgelegt, und die Antwort ihrer Mutter würde zeigen, ob es eine berechtigte Hoffnung auf eine richtige Mutter-Tochter-Beziehung gab.
»Ich weiß nicht genau, was du von mir erwartest«, erwiderte Lanie ehrlich.
Das war doch schon mal ein Anfang, fand Faith. »Ich erwarte von dir, dass du mich hin und wieder anrufst, dass du mir gegenüber ehrlich über deine Gefühle redest und darüber, was sich in deinem Leben so tut. Und vor allem erwarte ich, dass du dich endlich damit abfindest, dass du nicht mehr die Besitzerin der Villa auf dem Hügel bist. Du bist nicht besser als sonst irgendjemand in Serendipity. Du musst anfangen, dich bescheidener zu geben.«
Lanie schlang die Arme um sich und wiegte sich wie ein kleines Mädchen vor und zurück. »Ist das schon alles?«, fragte sie, und ihr Tonfall war sarkastisch, aber nicht bissig.
»Ja, das ist alles, und es ist nicht zu viel verlangt. Ich bitte dich nur, dich wie ein Mensch zu benehmen«, erwiderte Faith trocken.
Ein aufrichtiges, gequältes Lächeln huschte über das Gesicht ihrer Mutter. Ohne Make-up traten die Falten deutlicher zu Tage, und nun, da sie die hochmütige Maske der wohlhabenden Lady, die sie normalerweise zur Schau trug, abgelegt hatte, kam endlich der Mensch dahinter zum Vorschein.
Faith fragte sich, ob die Verwandlung wohl von Dauer sein würde, und beschloss, sich einen weiteren Schritt vorzuwagen. »Ich könnte Hilfe im Laden brauchen«, sagte sie. »Du müsstest Anrufe entgegennehmen und eventuell ein paar Akquisegespräche führen, um das Geschäft in Schwung zu bringen. Ich kann es mir nicht leisten, dir viel zu zahlen, aber ich hoffe, das ändert sich mit der Zeit.«
»Ich soll für dich arbeiten?« Lanie klang überrascht.
Faith nickte. Eigentlich ging es ihr vor allem darum, dass ihre Mutter ein wenig unter Leute kam, statt sich ständig zu Hause zu verkriechen.
»Kann ich es mir überlegen?«, fragte Lanie.
»Aber nicht zu lange. Nach diesem Artikel rennen mir die Leute bestimmt die Bude ein«, scherzte Faith halbherzig und krümmte sich dabei innerlich.
Doch ihre Mutter lachte, zum ersten Mal seit langer Zeit.
Ethan duschte und eilte die Treppe hinunter. Er wollte früh genug losfahren, um Tess abzuholen, denn wenn er zu spät kam, würde er bloß erneut den Zorn seines Bruders auf sich ziehen und ihm einen weiteren Anlass für eine Auseinandersetzung liefern.
Er nahm den Autoschlüssel von der Anrichte in der Küche und wollte sich eben in die Garage aufmachen, da stellte Rosalita sich ihm in den Weg.
»Oh, Mr. Ethan, schlimme Neuigkeiten.« Sie murmelte etwas Unverständliches auf Spanisch.
»Was ist denn los?«, fragte er.
»Oh, dieser Mr. Harrington ist sehr böser Mann.« Sie bekreuzigte sich, als gelte es, den Teufel höchstpersönlich abzuwehren.
Die Erwähnung von Faiths Vater war nicht das Einzige, das Ethan an der Aussage seiner aufgebrachten Haushälterin aufhorchen ließ. »Also, jetzt bin ich aber beleidigt, Rosalita. Ich hatte angenommen, ich wäre der einzige böse Mann in Ihrem Leben«, feixte er. Er konnte der Versuchung, sie aufzuziehen, einfach nicht widerstehen, schließlich hatte er schon so einiges von ihr einstecken müssen.
»Oh, nein.« Rosalita schüttelte den Kopf. »Verglichen mit ihm Sie sind ein Heiliger!«
Wenn Rosalita ihm sogar ein Kompliment machte, dann war definitiv etwas im Busch. »Warum?«, fragte er sie. »Was ist denn passiert?«
»Gestern die Post ist spät gekommen, deshalb ich hole sie erst heute früh aus dem Briefkasten. Ich lege wie immer alles auf Ihren Schreibtisch. Lesen Sie!« Sie drückte ihm die neueste Ausgabe des News Journal in die Hand, in dem stets über aktuelle wirtschaftliche und politische Ereignisse berichtet wurde. Vom Cover grinste ihm ein selbstgefälliger Martin Harrington entgegen.
» Anatomie eines Betrugs «, las Ethan halblaut. »Dieser Hurensohn!« Das war wirklich das Letzte, was Faith gerade brauchte!
Rosalita nickte und bekreuzigte sich erneut.
Kein
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