Ich will doch nur küssen
mit Martin Harrington?«, fragte Nash, der nun lässig auf seinem Stuhl kippelte. Die Frage zerging ihm sichtlich auf der Zunge.
Das hatte ja kommen müssen.
»Wir hatten uns doch darauf geeinigt, das jetzt nicht zur Sprache zu bringen«, wies Dare ihn verärgert zurecht.
Nash zuckte die Achseln. »Was soll ich sagen? Ich muss ihn nur ansehen, und schon ist meine ganze Wut wieder da.« Er kippte den Stuhl wieder nach vorne und stellte die Füße ab.
»Halt dich zurück«, befahl ihm Dare. »Tess ist nebenan und … «
»Danke, aber du musst dich nicht für mich einsetzen«, sagte Ethan zu seinem jüngsten Bruder. »Ich weiß, wie er« – er zeigte auf Nash – »über mich und Faith denkt. Sobald Tess fertig ist, werde ich gehen, dann könnt ihr zwei euer Familien frühstück fortsetzen.« Ethan hatte sich eigentlich nicht anmerken lassen wollen, dass er sich grämte, weil man ihn ausgeschlossen hatte, aber jetzt war es ihm doch herausgerutscht.
Immerhin, Dare schien deswegen ein schlechtes Gewissen zu haben. Das bestätigte Ethan in der Annahme, dass vielleicht eine Chance bestand, sich mit seinem jüngsten Bruder zu versöhnen.
»Ich bin fertig!«, rief Tess und stürmte energiegeladen in die Küche, ohne zu ahnen, was sich dort gerade abgespielt hatte. »Ich muss noch kurz nach Hause, um mich umzuziehen, ehe wir ans Meer fahren. Und du auch«, sagte sie mit einem Blick auf Ethan, der schwarze Jeans und ein T-Shirt trug.
»Ich habe auf dem Weg hierher einen Anruf von der Birchwood Academy erhalten. Du hast dort heute um elf einen Termin. Erst einmal musst du dich also dafür umziehen. Hat Faith dir etwas gekauft, was für diesen Anlass passend sein könnte?«, fragte er hoffnungsvoll.
Bei dieser Gelegenheit fiel ihm ein, dass er nicht vergessen durfte, Faith zu fragen, wie viel sie für Tess’ neue Ausstattung ausgegeben hatte, damit er ihr das Geld zurückgeben konnte. Es bereitete ihm Sorgen, dass sie noch nichts von sich hatte hören lassen.
»Ich glaube, ich habe da ein Kleid, das müsste gehen«, sagte Tess, wenig begeistert von der Vorstellung. »Und danach fahren wir zum Strand?«
Ethan nickte. »Wenn es nicht regnet. Heute Morgen war es bewölkt.«
Sie runzelte die Stirn, nickte aber verständnisvoll. Zumindest für das Wetter konnte man Ethan keine Vorwürfe machen.
Tess hatte sich richtig hübsch gemacht, doch Ethan war nicht sicher, ob er einen dementsprechenden Kommentar vom Stapel lassen und damit das Risiko eingehen sollte, sie vor dem Aufnahmegespräch in Verlegenheit zu bringen.
Ach, was soll’s. »Du siehst gut aus«, sagte er, als sie in einem femininen, zartlila und weiß gemusterten Kleid und silbernen Sandalen die Treppe herunterkam.
Sie wurde rot und ließ den Kopf hängen. »Ich seh albern aus.«
»Tust du nicht.«
»Tu ich doch. Und du auch in dem Anzug.«
Er schüttelte lachend den Kopf, aber Tess stimmte nicht mit ein.
»Was ist denn los?«
Sie zögerte.
»Komm schon, spuck’s aus.«
Tess atmete tief durch. »Na ja, Faith hatte versprochen, dass wir uns am Wochenende noch um meine Haare kümmern, aber jetzt … « Sie zupfte verunsichert an ihrer lilafarbenen Haarsträhne.
»Ich dachte, du magst Lila.« Ethan stellte sich absichtlich dumm, obwohl er nachvollziehen konnte, dass sie mit ihrer auffälligen Frisur nicht in der Privatschule erscheinen wollte.
»Du weißt schon, was ich meine.«
Sie kaute an ihren Fingernägeln herum, und er klopfte ihr auf die Hand. »Ja, schon klar. Aber weißt du was? Du siehst cool aus.« Er hob die Hand, bevor sie antworten konnte. »Ich weiß, ich weiß, der Ausdruck ›cool‹ ist total uncool. Aber es ist ganz gut, wenn du ein bisschen Individualität an den Tag legst.« Er hatte sich anfangs ja eher an ihrem Verhalten als an ihrer Frisur gestört, aber ihm sollte es recht sein, wenn Faith es schaffte, ihr eine neue Frisur zu verpassen.
Aber dafür musste er Faith erst einmal erreichen. Sie ging nach wie vor nicht ans Telefon und hatte ihn auch noch nicht zurückgerufen.
»Bist du so weit?«, fragte er Tess.
»Ja. Ich werde denen mal ordentlich in den Arsch treten.« Da kam offenbar ihr altes Selbst wieder durch.
Er grinste. »Gut. Solange du aufpasst, was du sagst, wenn wir dort sind, kann eigentlich nichts schiefgehen.«
Eine halbe Stunde später begab sich Ethan in das Büro des Direktors, während eine der Sekretärinnen Tess die Schule zeigte.
Nachdem sich Ethan gesetzt hatte, kam Dr. Spellman, ein Mann um die
Weitere Kostenlose Bücher