Ich will doch nur küssen
hoffen, dass er den Wink verstanden hatte. Aber da er das Jahr, in dem seine Eltern gestorben waren, mit keinem Wort erwähnt hatte, zog er es wohl ebenfalls vor, den schmerzhaften Teil seiner Familiengeschichte auszuklammern.
»Nein. Dale ist leider nicht gerade der Beständigste, deshalb habe ich ihn ziemlich bald ausgezahlt, nachdem das Geschäft mit der Regierung unter Dach und Fach war«, erklärte Ethan.
Sie nickte aufmerksam. »Wo befindet sich denn das Hauptbüro deiner Firma?«
»In Manhattan, und dann gibt es noch eine kleinere Niederlassung in Washington D. C. Aber dank der modernen Technologie und des Kurierdienstes kann ich auch bequem von hier aus arbeiten.«
»Ich bin beeindruckt«, sagte sie anerkennend, obwohl er nun in ihrem ehemaligen Haus lebte. Er hatte etwas aus sich gemacht.
»Danke, aber offen gesagt bedeutet mir all das hier nicht viel, solange meine Brüder nichts mit mir zu tun haben wollen.«
Das konnte Faith gut nachvollziehen, schließlich hatte sie selbst miterlebt, wie sein Bruder Dare ihn behandelt hatte. Sie fand sowohl das Verhalten seiner Brüder als auch die Tatsache, dass er sich selbst die Schuld an so vielem gab, bedenklich, aber sie hielt sich zurück – aus gänzlich eigennützigen Gründen. Wenn sie das Thema zur Sprache brachte, würde sie damit nur die gelöste Stimmung ruinieren, die gerade zwischen ihnen herrschte.
»Das kommt schon noch. Jetzt, wo du hier lebst, werden sie bestimmt erkennen, wie sehr du dich verändert hast. Nicht dass du früher durch und durch schlecht gewesen wärst«, sagte sie aufrichtig.
Er musterte sie verwundert. »Warum tust du das?«, wollte er wissen.
»Was denn?«
Er rückte mit dem Stuhl näher an sie heran, sodass sich ihre Knie berührten, und sah ihr in die Augen. »Warum siehst du immer nur das Beste in mir?«, fragte er mit rauer Stimme.
Sie blinzelte und war selber überrascht. Tja, warum tat sie das? »Ich weiß nicht.«
Sie wusste nur, was sie fühlte, und diese Gefühle reichten zehn lange Jahre zurück, zu jenem Tag, an dem sie zu ihm auf das Motorrad gestiegen war, in dem Bedürfnis, ihn besser kennenzulernen. Und zu jenem Kuss, den sie niemals hatte vergessen können.
»Was auch immer der Grund dafür ist, ich bin dir dankbar.«
Sie schluckte schwer. »Ich will deine Dankbarkeit nicht.« Sie wollte viel mehr.
Als sie seinen Blick aufschnappte, fragte sie sich erneut, ob er ihre Gedanken lesen konnte.
Sie hatte sich schon immer zu ihm hingezogen gefühlt, und deshalb hatte sie glauben wollen, dass er ein guter Mensch war, ganz egal, was der Rest der Welt dachte. Was er dachte. Es hatte nicht an ihm gelegen, dass sie ihn vor zehn Jahren zurückgewiesen hatte. Sie hatte es nur sich selbst zuliebe getan. Sie war noch nicht bereit gewesen.
Jetzt war sie es.
Sie waren beide erwachsen, und sie wollten beide Sex, ohne sich dafür rechtfertigen zu müssen. Sie war zwar noch nicht bereit, einem Mann ihr Herz zu schenken, aber das verlangte er ja auch gar nicht. Den Signalen nach zu urteilen, die er bisher ausgesandt hatte, ging es ihm ebenfalls nur um Sex.
»Was willst du dann?«, fragte er, obwohl er es, seinem unwiderstehlichen Blick und seinem gespannten Gesichtsausdruck nach zu urteilen, bereits wusste.
Sie schluckte schwer. »Ich will dich.«
»Ich hatte gehofft, dass du das sagen würdest.« Er beugte sich nach vorn, und sein Mund berührte den ihren.
Lust, Verlangen, Erregung flammten in ihr auf – lauter Gefühle, die ihr so lange gefehlt hatten. Seine Lippen verweilten auf den ihren, neckten sie, quälten sie und kündeten von dem, was noch kommen würde.
Dass es plötzlich in ihren Ohren klingelte, hatte jedoch nichts mit dem Kuss zu tun. Es war ein Geräusch, das ihr nur allzu vertraut war: die Türglocke. »Da ist jemand an der Tür«, flüsterte sie.
Ethan brummte etwas in sich hinein und fluchte verhalten. Dass sich in dieser verdammten Stadt aber auch alles gegen ihn verschworen hatte! »Wer zum Geier kann das sein, um diese Uhrzeit?«
Er erhob sich, und Faith mit ihm.
»Am besten sehen wir gleich mal nach.« Sie klang ebenso verärgert wie er über die Störung.
»Wer auch immer es sein mag, ich werde ihn zum Teufel jagen.« Er nahm ihre Hand und ging zur Tür.
Jetzt, da sie endlich hier in seinem Haus und zu allen Schandtaten bereit war, würde er sich auf keinen Fall davon abhalten lassen, zu beenden, was sie soeben begonnen hatten. Schon gar nicht von irgendwelchen ungebetenen Besuchern,
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