Ich will endlich fliegen, so einfach ist das - Roman
du nimmst doch Tampons, wahrscheinlich hast du dein Jungfernhäutchen selbst schon geknackt.«
Ich kriege erneut eine Kicherattacke, und Tonja steht auf, um ihre Favoriten-Playlist zu starten. Seit einiger Zeit ist da kaum noch was anderes als Katy Perry drauf. Wenigstens spielt sie nicht mehr Hot N Cold in Endlosschleife.
»Aber das Wichtigste ist doch«, sagt Tonja, als sie sich wieder neben mich aufs Bett setzt, »dass es sich wie das erste Mal angefühlt hat. Und nicht wie das letzte Mal, meine ich.«
Am Montag, als wir zur Schule fahren, bläst ein ordentlicher Sturm. An der Kreuzung, wo Tonja und ich uns jeden Morgen treffen, werde ich fast vom Fahrrad geweht, aber wir schaffen es unversehrt am alten Krankenhausgelände vorbei, den Mårtensvägen rauf bis zur Schule. Der Wind fährt rauschend durch die Laubkronen der großen Ahornbäume neben den Fahrradständern. Während wir fröstelnd mit unseren Fahrradschlössern kämpfen, bremst Lukas neben uns und stellt sein Moped ab. Er grinst breit und zieht den Helm vom Kopf, das Haar weht ihm vor die Augen.
»Hey, baby!«, sagt er.
O Gott, wie albern, denke ich, aber Tonja lächelt ihn selig an.
»Hallo«, sagt sie und steckt den Fahrradschlüssel in ihre Tasche.
Lukas legt den Kopf schräg und schiebt die blonden Strähnen aus der Stirn, ohne Tonja auch nur eine Sekunde aus dem Blick zu lassen.
»Und, wie geht’s?«, fragt er. »Alles … okay?«
Tonja nickt und Lukas sieht stolz aus. Er schwingt seinen blauen Rucksack auf die Schulter und geht mit uns auf das backsteinrote Schulgebäude zu. Der blaue Helm baumelt an seiner Hand.
»Schade, dass es die Schule nicht weggeweht hat, dann könnten wir jetzt was Netteres machen.«
Natürlich freue ich mich für Tonja, dass sie glücklich ist. Und dass Lukas nicht wie Gustav ist. Ich bin froh, dass ich kein Feuer in seinem Schließfach legen oder mir andere Rachepläne ausdenken muss. Trotzdem frage ich mich, ob es von nun an immer so sein wird, dass es Tonja nur noch im Doppelpack mit Lukas gibt? Was natürlich heißen könnte, dass Nils auch dabei ist. Trotzdem. Es gibt Dinge, die man ohne die Jungs besprechen möchte. Ziemlich viele sogar. Die Vorstellung, dass Tonja und Lukas vielleicht auch Dinge miteinander besprechen wollen, ohne dass ich ihnen ständig an den Fersen klebe, ist ganz merkwürdig. Wenn man verliebt ist, will man mit dem Objekt seiner Begierde wahrscheinlich auch noch woanders allein sein als im Bett.
Als wir zu den Schließfächern kommen, habe ich keine Zeit mehr zum Grübeln. Ein paar Meter entfernt lehnt Silja lässig neben Svens Schließfach. Sven steht leicht vornübergebeugt, die eine Hand auf der offenen Schließfachtür, lacht und unterhält sich mit ihr. Die Kuppe seines Skaterschuhs ist höchstens drei Zentimeter von Siljas Converse entfernt. Sie trägt wieder ein vor dem Bauch verknotetes Hemd und eine speckige Lederjacke.
Sie berühren sich nicht, aber es sieht trotzdem extrem intim aus, wie sie da stehen.
»Was ist denn jetzt passiert?«, flüstert Tonja.
»Sie … will wahrscheinlich bloß provozieren«, murmele ich. »Also, Emelie.«
Das hätte ich mir ja denken können. Und wahrscheinlich bin ich es auch noch gewesen, die sie auf die Idee mit Sven gebracht hat. Ich bin trotzdem etwas geschockt, muss ich sagen. Und schwer beeindruckt.
»Armer Sven, wenn es so ist«, sagt Tonja.
»Warum?«, frage ich. »Er macht doch genau das Gleiche mit den Mädchen, die er anbaggert.«
»Aber nicht, um jemand anderem eins auszuwischen.«
»Glaubst du nicht?«
»Das kann man jedenfalls nicht vergleichen.«
»Warum nicht?«
Tonja kommt nicht mehr dazu, zu antworten, weil in diesem Augenblick Emelie, Lovisa und Clara ihren Auftritt haben. Ich stoße Tonja den Ellenbogen in die Seite, aber sie hat sie bereits gesehen. Lovisa schüttelt die Haare aus und lässt den Blick durch den Aufenthaltsraum und über die Schließfachreihen schweifen. Emelie geht schnurstracks auf ihr Schließfach zu wie immer. Clara erzählt gerade etwas, verstummt aber, als sie Sven und Silja sieht. Lovisas Blick bleibt auch an ihnen hängen, und ihre Augen weiten sich für den Bruchteil einer Sekunde, ehe sie sie zu maskaraschwarzen Strichen zusammenkneift. Sie beugt sich zu Emelie rüber und sagt etwas, dann rauschen alle drei an Tonja und mir vorbei in die nächste Schrankreihe, wo Emelie und Lovisa ihre Fächer haben.
»Shit«, flüstert Tonja. »Das bedeutet Krieg.«
In diesem Augenblick sagt Sven
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