Ich will endlich fliegen, so einfach ist das - Roman
wie du«, antworte ich.
»Doch«, sagt sie. »Das habt ihr nur noch nicht kapiert. Es ist gar nicht so schwer, man muss es einfach tun.«
»Sich im Unterricht neben Line zu setzen und die Pause mit Sven zu verbringen?« Ich lache. »Das kann niemand außer dir. Wie hast du das eigentlich mit Sven hingekriegt?«
Silja zuckt mit den Schultern, aber ich sehe das stolze Funkeln in ihren Augen.
»Ich hatte gestern nichts Besseres zu tun, also habe ich geguckt, wo Sven wohnt und wo er so rumhängt. Als er später aus dem Fitnesscenter kam, habe ich ihn ganz zufällig getroffen. Das war nicht weiter schwierig. Ich hab ihn über die Fitnesskarte ausgefragt und danach sind wir ins Miranda gegangen und haben was getrunken. Mehr war nicht.«
Ich lache.
»Das ist echt strange, wenn du mich fragst! Du benimmst dich … wie im Film. Da macht man solche Sachen. Aber nicht in der Realität.«
»Ach was. Er ist echt süß.«
»Süß? Der bestaussehende und coolste und egoistischste Typ der ganzen Schule, meinst du wohl?«
»Das ist doch nur Fassade. Er spielt seine Rolle genauso, wie ihr eure spielt.«
»Genau das sag ich doch«, wende ich ein. »Das ist ja das Merkwürdige mit dir! Du spielst keine Rolle.«
Silja wird plötzlich ernst.
»Vielleicht tu ich genau das«, sagt sie. »Ich spiele das Mädchen, das sich weigert, an dieser Schmierenkomödie teilzunehmen. Oder … ich spiele das Mädchen, das keine Rolle spielt, weil sie sich nirgends anpassen will.«
Wieder einmal muss ich ihre Worte erst verdauen und versuchen, sie zu verstehen.
»Denkst du oft an deine Mutter?«, frage ich.
Sie schüttelt den Kopf. »Ich weiß nicht.« Und wie bei einem jähen Wetterumschwung strahlt sie mich an. »Ach, übrigens! Am Wochenende passiert in diesem Kaff tatsächlich mal was Spannendes! Am Samstag ist bei Svens Cousin big party. Er hat einen Traumjob in einem IT-Unternehmen in London bekommen und zieht bald weg.«
Ich sehe sie staunend an. Wie viele Leute hat sie in der kurzen Zeit eigentlich schon kennengelernt, seit sie hier wohnt?
»Traumjob?«, sage ich verwirrt. »Wie alt ist der denn? Der Cousin, meine ich? Und woher kennst du ihn?«
Silja schüttelt den Kopf. »Ich kenne ihn ja gar nicht, Sven hat mir gestern von ihm erzählt. Er hat dann abends gleich bei ihm angerufen und gefragt, ob es okay ist, wenn er uns mitbringt.«
Ihre Augen strahlen mich erwartungsvoll an. Zwei schwarze Sonnen vor einer eisgrauen Himmelsscheibe. Mein Hirn hat sich irgendwie verhakt.
»Du und Sven?«
Sie seufzt und verdreht die Augen über mein beschränktes Auffassungsvermögen.
»Ja, Sven geht natürlich hin! Aber ich rede von uns, dir und mir!«
Als ich nicht sofort antworte, wirft sie einen kurzen Blick über meine Schulter.
»Und Tonja«, fügt sie hinzu. »Wenn es sein muss.«
Ich drehe mich automatisch um, aber Tonja ist nirgends zu sehen. Ich wende den Blick wieder Silja zu und versuche einzuordnen, was sie gesagt hat.
»Was meinst du damit, wenn es sein muss?«
»Damit du mitkommst. Wenn du nicht kommst, macht es keinen Spaß.«
Ich mustere sie genau, suche nach einem ironischen Lächeln. Sie nimmt mich auf den Arm, anders kann es nicht sein. Aber ich kann in ihrem Gesicht nichts entdecken, nur die erwartungsvolle Vorfreude in ihren Augen.
»Du meinst das ernst, oder?«, frage ich sie schließlich.
»Natürlich meine ich das ernst«, sagt sie ungeduldig. »Du kommst doch mit, oder? Sag, dass du mitkommst! Du musst.«
»Aber … Svens Cousin … Wie alt ist er denn jetzt? Und wo ist die Fete überhaupt?«
»Das weiß ich doch nicht! Was spielt das für eine Rolle, wo die Fete stattfindet oder wie alt der Typ ist? Oder gehst du nur auf Kinderpartys?«
Sie sieht jetzt richtig genervt aus, und ich fühle mich tatsächlich wie jemand, der bisher noch nie woanders als auf Kinderpartys war, plus ein paar Klassenfeten und dem einen oder anderen runden Familiengeburtstag.
Silja seufzt.
»Ich dachte, du würdest dich freuen«, sagt sie. »Ich hab mich gefreut! Niemand sonst aus der Klasse ist eingeladen. Endlich passiert mal was Cooles, und da guckst du mich an, als würde ich Arabisch reden.«
»Ich … denk drüber nach«, sage ich. »Und rede mit Tonja.«
Da steht Tonja plötzlich neben mir. Ich habe sie überhaupt nicht kommen hören. Sie schaut von mir zu Silja und wieder zu mir.
»Worüber willst du mit Tonja reden?«, fragt sie.
Ich will gerade den Mund aufmachen und mir zurechtlegen, wie ich das Ganze
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