Ich will endlich fliegen, so einfach ist das - Roman
weiche Brüste, die beim Gehen wackeln, statt meiner kleinen, spitzen Hügel. Kein Wunder, dass Nils nicht in die Puschen kommt. Welcher Junge hat schon schlaflose Nächte wegen meiner Brüste?
Mein Handy gibt zwei Piepstöne von sich. Es ist eine SMS von Tonja.
Ich geh schon mal vor. Bis gleich. <3
Enttäuscht werfe ich das Handy auf mein ungemachtes Bett. Ich verstehe ja, dass sie es eilig hat, zu Lukas zu kommen, aber deswegen hätte sie doch trotzdem auf mich warten können. Wie war das noch gleich mit dem Test, den wir letzte Woche in Spanisch gemacht haben? Estar con mis amigos es más importante que estar con mi novio. Mit meinen Freunden zusammen zu sein ist mir viel wichtiger, als mit meinem Freund zusammen zu sein. Waren wir uns in dem Punkt nicht völlig einig?
Ich sehe mich wieder im Spiegel an und würde am liebsten alles sausen lassen. Bei Lukas anrufen und sagen, dass ich nicht komme. Aber dann denke ich an Nils und sage mir, dass ich Tonja gegenüber etwas großzügiger sein sollte. Sie setzt schließlich alle Hebel in Bewegung, um Nils und mir auf die Sprünge zu helfen.
Ich föhne mir sorgfältig die Haare und male mir mit Kajal feine Linien um die Augen. Noch ein bisschen Lidschatten und Wimperntusche, die schwarze Kapuzenjacke, Fahrradschlüssel, Handy, Headset, und los geht’s.
Lukas wohnt nördlich vom Zentrum in einem Viertel mit langen, roten, dreigeschossigen Häuserblocks. Ich war noch nie bei ihm zu Hause, aber Tonja hat mir genau beschrieben, wo er wohnt. Ich habe also keine Probleme, es zu finden. Ich drücke den Klingelknopf. Das Signal ist deutlich hinter der geschlossenen Tür zu hören, aber niemand macht mir auf. Ich klingele noch einmal. Endlich höre ich Schritte, die Klinke wird runtergedrückt. Tonja steht vor mir, rotwangig und mit zerzausten Haaren.
»Hallo«, sagt sie. »Tut mir leid, wir waren grad … beschäftigt.« Sie kichert.
Ich denke genervt, dass sie doch lieber niemanden zu ihrem Filmabend einladen sollten, wenn sie nur an das eine denken können, verkneife mir aber, was zu sagen. Ich gehe in den Flur und ziehe die Schuhe aus. Gleich nach mir kommt Nils. Er hat ein anderes T-Shirt angezogen und duftet nach einem würzigen Deodorant, was meine Laune ein wenig hebt. Immerhin, er hat sich ins Zeug gelegt. Das muss doch was heißen. Ich lächele ihn an, und er lächelt zurück, als hätte er gerade ungefähr das Gleiche über mich gedacht. Kurz darauf sitzen wir alle vier im Wohnzimmer, futtern Chips und versuchen, uns auf einen Film zu einigen. Lukas hat seinen Laptop an den LED-Bildschirm seiner Eltern angeschlossen. Er hat wirklich unglaublich viele Filme auf dem kleinen Computer. Am Ende einigen wir uns auf eine Action-Komödie, die keiner von uns kennt.
Das Dumme ist nur, dass Lukas und Tonja eng nebeneinander auf der einen Sofahälfte sitzen und ich alleine auf der anderen Hälfte. Nils hat es sich in einem der beiden Sessel bequem gemacht, statt sich zu mir zu setzen, obwohl da locker noch Platz für ihn wäre. Irgendwann nehme ich meinen ganzen Mut zusammen und frage ihn, ob er von seinem Platz schräg neben dem Bildschirm überhaupt was sehen kann, wobei ich so demonstrativ an die Seitenlehne rücke, dass er die peinlich offensichtliche Einladung, sich doch endlich neben mich zu setzen, nicht übersehen kann. Aber entweder ist Nils unglaublich schwer von Kapee oder er will schlicht und einfach nicht neben mir sitzen. Jedenfalls versichert er, dass er sehr gut sieht, und bleibt auf seinem Sessel hocken. Ich würde am liebsten auf der Stelle in Grund und Boden versinken. Verzweifelt suche ich Tonjas Blick, aber ihr Gesicht ist halb hinter Lukas’ Schulter verborgen, an der ihr Kopf lehnt. Sie küssen sich unentwegt, dass ich mich echt frage, ob sie überhaupt irgendetwas von dem Film mitbekommen. Ganz davon abgesehen, krieg ich auch nichts mit. Ich fühle mich abgewiesen, lächerlich und fehl am Platz. Das Top ist zu eng, das Oberteil zu tief ausgeschnitten und der Push-up total albern. Der Einzige, der zwischendurch lacht, ist Nils.
Mit großer Mühe ringe ich mich dazu durch, sitzen zu bleiben und Interesse zu heucheln, bis der Nachspann kommt. Da halte ich es nicht länger aus.
»Ich muss los«, sage ich. »Wir sehen uns morgen.«
Alle drei sehen mich verdutzt an.
»Jetzt schon?«, sagt Lukas und wirft einen Blick auf die Uhr. »Es ist doch noch nicht mal neun.«
»Ja, ich hab versprochen, nicht so spät zu kommen«, flunkere ich.
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