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Ich will endlich fliegen, so einfach ist das - Roman

Ich will endlich fliegen, so einfach ist das - Roman

Titel: Ich will endlich fliegen, so einfach ist das - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beltz & Gelberg
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gegenüber. Warum ausgerechnet auf einem Stuhl, wir haben zwei Sessel und einen Fußhocker, auf denen er sitzen könnte. Und mehr als das halbe Sofa. Oder hat er Angst, sich bei mir anzustecken? Ich weiß, dass ich kein Recht habe, sauer zu sein. Aber ich bin sauer. »Hallo, ich bin’s, Vendela, erkennt ihr mich nicht wieder? Ich bin kein Einbrecher, den ihr auf frischer Tat ertappt habt. Ich bin’s, eure Tochter!«, würde ich am liebsten rufen.
    »Vielleicht bin ich ja hoffnungslos naiv, Vendela, aber ich habe mich auf dich verlassen«, sagt Papa. »Ich hätte nie gedacht, dass so etwas jemals passieren könnte. Ich habe nicht damit gerechnet, dass ich dich einmal die halbe Nacht suchen und betrunken bei fremden Leuten abholen muss. Verstehst du?«
    Ich nicke. Ich verstehe. Ich bin nicht die, für die sie mich immer gehalten haben. Ich bin ein Bluff. Eine lebende Lüge.
    »Wie konntest du nur?«, sagt Mama aufgebracht. »Wie konntest du uns anlügen und einfach zu dieser Orgie bei wildfremden Leuten fahren? Wie kann man nur so unsäglich dumm sein? Dir hätte sonst was passieren können! Die hätten dir Drogen unterjubeln, dich vergewaltigen, dich umbringen können! Und wie viel hast du eigentlich getrunken? Man kann an Alkoholvergiftung sterben, Vendela! So sind schon viele Jugendliche gestorben! Wo hast du deinen Kopf gehabt? Oder ist dir das alles scheißegal? Sind wir dir egal? Sag schon, sind wir dir so egal? Kannst du dir vorstellen, was wir für eine Nacht gehabt haben?«
    Ich muss nicht antworten, Mama lässt gar keinen Raum für Antworten. Erst als Papa eine beruhigende Geste in ihre Richtung schickt und sie nach Luft schnappt, bricht der Wortstrom ab.
    Woher wissen sie überhaupt, dass ich nicht mit Drogen vollgepumpt oder vergewaltigt worden bin? Für den Bruchteil einer Sekunde schießt mir der Gedanke durch den Kopf, dass ich ja sagen könnte, ich hätte nur Cola getrunken und dass mir jemand was ins Glas gemischt haben muss, aber es bleibt bei dem Gedankenblitz. Das würde alles noch viel schlimmer machen.
    »Hast du uns nichts zu sagen?«, fragt Papa. »Gar nichts?«
    »Woher … wusstet ihr, wo ich war?«, murmele ich heiser.
    »Ich habe acht Leute mit dem Nachnamen Nordh angerufen«, sagt Papa. »Um zwei Uhr nachts! Aber keiner von denen kannte eine Silja. Da hab ich Tonjas Eltern geweckt und mit ihrer Unterstützung die Telefonnummer von Siljas Pflegeeltern rausgefunden, die Sundström heißen. Aber Sundströms wussten auch von nichts, wie sich zeigte! Also habe ich noch mal Tonjas Vater angerufen, damit er Tonja weckt, und sie hat dann von dem Fest erzählt, zu dem du sie mitnehmen wolltest. Und morgens ist es mir dann gelungen, Anwalt Ernerius und seine Frau aus den Federn zu klingeln. Sie haben seelenruhig geschlafen und sich anscheinend nicht gewundert, dass ihr Sohn nicht nach Hause gekommen ist!«
    »Weil das Fest bei seinem Cousin war.«
    »Und diesen Cousin werde ich mir vorknöpfen, sobald ich mich wieder etwas beruhigt habe!«, sagt Papa. »Es ist ein ernsthaftes Vergehen, Jugendlichen Alkohol zu trinken zu geben! Aber sein unverantwortliches Benehmen schmälert dein Verhalten nicht im Geringsten, Vendela! Wie konntest du nur? Was hast du dir dabei gedacht?«
    »An uns hast du jedenfalls nicht gedacht!«, platzt Mama heraus. »Als ob wir so nicht schon genug Sorgen hätten. Glaubst du, wir wollen auch noch das einzige Kind verlieren, das uns geblieben ist?«
    Ich wusste, dass das kommen würde. Darum geht es schließlich die ganze Zeit. Das ist es, worum sich alles dreht.
    »Wisst ihr eigentlich, wie es mir damit geht?«, frage ich und merke, wie mir die Tränen kommen. »Glaubt ihr, für mich wäre es immer nur einfach? Tut mir schrecklich leid, dass nur ich euch geblieben bin, und entschuldigt bitte, dass ich überlebt habe! Darf ich deswegen keinen Spaß mehr haben oder spannende Dinge unternehmen, bin ich für den Rest meines Lebens immer nur die, die übrig geblieben ist? Darf ich nichts anderes mehr tun, als noch am Leben zu sein? Für euch am Leben zu sein?«
    Sie sehen mich ein paar ewigkeitslange Sekunden an, und zwischen uns schiebt sich ein Schweigen, ein Abstand, ein klaffender, offener Abgrund.
    »Aber Vendela …«, sagt Papa schließlich.
    »Ihr denkt immer nur an euch!«, würge ich heraus, jetzt ist kein Halten mehr. »Ihr geht herum in eurer verdammten heiligen Trauer, aber ich bin auch noch da, ich lebe auch in dieser Trauer, und ich bin ein Mensch, der noch einen

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