Ich will endlich fliegen, so einfach ist das - Roman
Tonja?«
»Nein.«
»Hm. Mit wem dann?«
»Sven. Aber Tonja und ich haben uns wieder vertragen. Ich telefoniere heute Abend mit ihr.«
Papa sieht gleich etwas beruhigter aus.
»Okay. Das freut mich. Ich lass dir was zu essen übrig.«
»Danke.«
»Geh’s ruhig an. Bis später!«
Ich nicke und trete in den Fahrstuhl.
Geh’s ruhig an, hat er gesagt. Wie soll man ruhig bleiben, wenn man gleich eine Verabredung mit Sven Ernerius hat? Mein Herz flattert und mir bricht schon wieder der Schweiß unter den Achseln und an den Handflächen aus.
Sven ist schon da.
Ich sehe ihn bereits von Weitem, er lehnt mit der Schulter an der verputzten Wand, Ohrstöpsel in den Ohren. Er lächelt mir entgegen, als er mich sieht, und ich bin sicher, dass ich wahrscheinlich beim Absteigen hängen bleibe und mit der Nase vor seinen Füßen lande, kann dann aber doch einigermaßen geordnet absteigen.
»Hi«, sagt er. »Komm!«
Ich schließe mein Rad ab und folge ihm durch ein schweres Holztor.
Er führt mich in einen großen Saal mit einer komplett verspiegelten Wand und verschwindet in einen angrenzenden Raum, um sich umzuziehen. Ich setze mich auf eine Holzbank neben der Tür. Zwei Mädchen in Leggings und T-Shirts machen Dehnübungen am anderen Ende des Raumes. Die eine wirft mir einen Blick über die Schulter zu, aber ansonsten scheinen sie sich nicht weiter zu wundern.
Eine dunkelhaarige Frau kommt herein und geht zu der Musikanlage. Das muss die Trainerin sein. Ich höre, wie eines der Mädchen sie Sara nennt. Sie ist braun gebrannt, trägt eine weite Hose und ein Trägershirt und sieht muskulös und sehnig aus.
Es sind elf Mädchen und drei Jungs in der Gruppe. Ich stelle die Füße auf die Bank, schlinge die Arme um die Knie und sehe ihnen fasziniert zu. Sie wärmen sich zu Fading mit geschmeidigen, fast synchronen Bewegungen auf, danach tanzen sie zu Man Down . Offenbar ist Sara Rihanna-Fan. Zwischendurch hält sie die Musik an und geht die Schrittfolge noch einmal durch.
»Zwei langsame, dann drei schnelle!«, ruft sie und macht es ihnen vor. »Eins-zwei, drei-und-vier. Noch einmal! Los geht’s, von vorne!«
Die Musik setzt wieder ein. Das Zugucken macht Spaß. Sara ruft den Tänzern aufmunternd etwas zu. Sven ist konzentriert dabei, und ich kann in aller Ruhe seinen durchtrainierten Körper betrachten, ohne mir blöd vorzukommen. Die Dreiviertelstunde vergeht wie im Flug.
»Und, wie hat’s dir gefallen?«, fragt er verschwitzt und atemlos.
»Ihr seid irre gut«, sage ich. »Echt professionell.«
»Ich dusch nur schnell, dann gehen wir ins Miranda. Wenn du so lange warten magst.«
Ob ich so lange warten mag? Ich warte, bis die Sonne verglüht und ich im ewigen Eis eingefroren bin. Aber das sage ich ihm natürlich nicht.
»Ich warte draußen«, sage ich stattdessen.
Ich lehne mich mit dem Rücken an der Stelle an die Wand, wo Sven vor ungefähr einer Stunde gestanden hat. Ganz schön kindisch. Da stehe ich dann und sehe mir die drei Bäume auf dem kleinen asphaltierten Schulhof an und warte.
Zehn Minuten später kommt Sven nach draußen. Ich schiebe mein Rad neben ihm her und hätte nichts dagegen, wenn das Miranda viel weiter weg wäre. Obwohl ich mich eigentlich höllisch drauf freue, mit ihm zusammen dort aufzukreuzen. Aber im Moment genieße ich es, mit den Händen auf dem Lenker neben ihm herzulaufen.
»Ich habe mich heute beim Sport übrigens mit Nils unterhalten«, sagt er plötzlich.
Bestimmt werde ich rot, jedenfalls sieht er mich amüsiert an.
»Aha«, murmele ich. »Und?«
»Genau, wie ich dachte. Er ist ein Feigling und schüchtern. Aber er meldet sich bestimmt bald bei dir.«
»Was hast du zu ihm gesagt?«, frage ich unruhig.
Sven sieht mich grinsend an.
»Du brauchst doch nicht alles zu wissen!«, sagt er.
Es sind keine Details über seine Unterhaltung mit Nils aus Sven rauszukitzeln. Als ich nachhake, macht er sich über mich lustig.
»Glaubst du, ich möchte über ihn reden, wenn ich dich ausnahmsweise mal für mich alleine habe?«, fragt er.
Es ist voll im Miranda. Ich gucke insgeheim, ob ich bekannte Gesichter aus der Schule sehe und wer uns alles sieht. Ein paar Leute aus unserer Parallelklasse sind da und etliche aus der Achten. Und da sind Ellen und Madeleine.
»Was magst du?«, fragt Sven und besteht darauf, mich einzuladen. Er steuert einen der hinteren Fenstertische an, wo er und Emelie und die anderen coolen Typen immer sitzen. Jetzt sind dort ein paar Gymnasiasten, zwei
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