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Ich will endlich fliegen, so einfach ist das - Roman

Ich will endlich fliegen, so einfach ist das - Roman

Titel: Ich will endlich fliegen, so einfach ist das - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beltz & Gelberg
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von ihnen haben im Frühjahr die Neunte an der Annelundsschule beendet. Sven begrüßt sie. Ich winke Ellen und Madeleine zu, die mit großen Augen zurückgrüßen. Als wir sitzen, kommt Madeleine zu uns an den Tisch. Sie wirft Sven einen kurzen Blick zu, dann mir. Man sieht ihr an, wie sehr sie sich zusammenreißen muss, lässig zu wirken.
    »Dürfen wir uns zu euch setzen?«, fragt sie.
    »Nein«, sagt Sven, ohne sie auch nur anzusehen.
    Ich habe noch nicht einmal den Mund aufgemacht. Madeleine zuckt mit den Schultern und geht zurück zu Ellen. Ich gucke Sven an.
    »Jetzt sind sie aber sauer«, sage ich.
    »Na und?«, sagt er. »Oder wolltest du, dass die sich zu uns setzen?«
    »Nein, aber …«
    »Warum soll ich mich mit Leuten abgeben, die mich nicht interessieren.«
    »Schon, aber …«
    Er sieht mich schmunzelnd an. »Aber?«
    »So macht man sich Feinde«, sage ich.
    »Ich habe doch keine Feinde? Oder, na ja, im Augenblick ist Emelie wohl etwas sauer auf mich, so what?«
    Ich sehe ihn an und versuche mir vorzustellen, wie er die Welt durch seine Augen sieht. Ist es wirklich so einfach für ihn?
    »Wir leben wohl doch auf unterschiedlichen Planeten«, sage ich und Sven lacht.
    Ich werde einfach nicht schlau aus ihm, veräppelt er mich, oder hat er tatsächlich keine Ahnung, wie das Dasein für uns normale Sterbliche ist. Wahrscheinlich ist ihm mein Blick auf die Welt genauso fremd wie mir seiner. Er sagt einfach »Nein«, als Madeleine ihn fragt, ob sie sich zu uns setzen dürfen. Dass Madeleine und Ellen ihn deswegen wahrscheinlich für überheblich halten, ist ihm egal. Ob sie auch gefragt hätte, wenn ich nicht dabei gewesen wäre? Wohl kaum. »Was sie kann, können wir schon lange«, haben sie sich wahrscheinlich gedacht. Bestimmt wundern sie sich, womit ich mir den Platz an Svens Tisch verdient habe. Leider habe ich selber keine Ahnung.
    Aber darüber werde ich mir jetzt nicht den Kopf zerbrechen, jetzt will ich einfach nur hier sitzen und den Moment genießen und nicht alles hinterfragen. Es ist so leicht, mit Sven zu reden. So leicht, dass ich zwischendurch ganz vergesse, wo wir sind. Und als ich wieder in der Realität lande, wünsche ich mir, dass er nicht der wäre, der er ist, weil es dann nicht so viel Wenn und Aber gäbe und ich nicht so viele Rücksichten nehmen und mir über alles Mögliche Gedanken machen müsste. Dann könnte das hier vielleicht sogar zur Gewohnheit werden. Ich könnte mich jedenfalls problemlos an sein nettes Lächeln gewöhnen.
    Oder nein, das stimmt so nicht, ich würde mich niemals daran gewöhnen. Es würde jedes Mal das Kribbeln unterm Zwerchfell auslösen und das Brausepulvergefühl im Blut, aber damit könnte ich gut leben. Jeden Tag und jede Nacht, rund um die Uhr, für den Rest meines Lebens.
    Als wir uns verabschieden und ich mich auf meinen Sattel schwinge, hat mein Rad Flügel. Ich trete mühelos in die Pedale und die Reifen berühren kaum den Boden, der Fahrtwind streicht über meine Wangen und rauscht leise in den Haaren.
    Ich weiß, dass ich Tonja versprochen habe, sie anzurufen, aber ich muss erst noch ein bisschen auf meinem Bett liegen und einfach nur nachspüren. Keine Musik, nur eine geschlossene Tür und Stille. Einfach nur da sein, hier und jetzt, ganz leise und glücklich und sonst nichts.
    Einmal Erlebtes kann man nie mehr verlieren und ich habe diesen Nachmittag erlebt. Ich habe ihn tanzen sehen, habe sein vom Duschen nasses Haar im Nacken gesehen, ihn lachen hören, habe ihn lächeln sehen und sprechen hören, gesehen, gehört, gesehen, gehört, und das kann mir niemand mehr nehmen. Ich suche im Internet nach Man down als Klingelton und lade ihn auf mein Handy runter. Jedes Mal, wenn ich das höre, werde ich seine geschmeidigen Bewegungen vor mir sehen.
    Es ist fast halb zehn, als ich Tonjas Nummer wähle.
    Es tut gut, sie wieder anrufen zu können. Anfangs läuft das Gespräch noch etwas stockend, aber dann fragt sie, was in der Zwischenzeit passiert ist, und weil ich ihr so gerne erklären möchte, wieso ich getan habe, was ich getan habe, erzähle ich ihr von den guten, unverfänglichen, den spannenden Sachen. Und auch wenn Tonja sich nicht verkneifen kann, mir zwischendurch unter die Nase zu reiben, wie bescheuert sie mein Verhalten findet, merke ich, dass sie förmlich aufsaugt, was ich ihr erzähle. Und da habe ich die kleine Hoffnung, dass sie mich ja vielleicht doch versteht, und erzähle noch mehr.
    Am meisten interessiert sie natürlich

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