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Ich will es hart

Ich will es hart

Titel: Ich will es hart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sira Rabe
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man sie löste, konnte man für einen kurzen Moment an einer Probe schnuppern. Romantisch veranlagte Männer gab es nicht. Und wenn doch, dann waren sie entweder weichgespült oder schwul. Allerdings war auch der Umschlag ungewöhnlich. Schneeweißes Papier, mit feinen senkrechten Linien. Auffallend edel.
    Aurelia legte die Post auf den Küchentisch und holte ein Fertiggericht aus dem Gefrierfach, um es in der Mikrowelle aufzuwärmen. Natürlich war sie neugierig, was das für ein Brief war. Sehr sogar. Aber sie hatte sich angewöhnt, Dinge, die sie unbedingt wissen wollte, bis zur Unerträglichkeit hinauszuzögern. Als müsste sie sich beweisen, dass sie doch nicht neugierig sei.
    Die Minuten, bis die Zeit der Mikrowelle abgelaufen war, nutzte sie, ihr schickes Kostüm gegen einen bequemen Jogginganzug zu tauschen und die strenge Banane, die ihre halblangen Haare bändigte, zu lösen. Sorgfältig bürstete sie ihre Haare aus und schminkte sich ab. In der Regel brachte sie außer Zähneputzen alles direkt nach dem Nachhausekommen hinter sich, was zum Pflegeprogramm gehörte, damit sie jederzeit ohne schlechtes Gewissen ins Bett fallen konnte. Viel zu oft überfiel sie die Müdigkeit anfallartig.
    Während sie aß, schob sie die Briefe auf dem Küchentisch hin und her. Umschläge, die verdächtig nach Rechnung aussahen, konnten auch bis morgen warten. Aber der Brief von Unbekannt, den wollte sie nun doch endlich öffnen. Ob das wohl eine neue Werbemasche war, parfürmierte, sehr persönlich adressierte Briefe zu verschicken? Sie holte ein Messer aus der Schublade und schlitzte den Umschlag sorgsam auf. Auch das war ein Ritual, das zum Hinauszögern und Überwinden ihrer Ungeduld gehörte. Gelernt hatte sie es von ihrem Vater, der ein leidenschaftlicher Briefmarkensammler war und nichts mehr hasste als durch zerstörerisches Aufreißen von Umschlägen zerstörte Sonderbriefmarken.
    Aurelia war sehr ordnungsbewusst. Bei ihr sah es immer aufgeräumt aus. Sogar die Accessoires, mit denen sie ihrer Wohnung eine persönliche Note gab, befanden sich stets am selben Platz. Falls doch einmal etwas herumlag, Zeitschriften, Post, dann war es geradezu pedantisch aufeinandergestapelt und signalisierte ebenfalls einen gewissen Ordnungshang.
    Ihr Leben war genauso. Von morgens bis abends durchorganisiert – und langweilig. Aurelia arbeitete als Marketingmanagerin einer Werbeagentur. Sie war gut in ihrem Job, bediente eine Reihe zufriedener Stammkunden, entwickelte Marketingkonzepte und kümmerte sich um die Koordination von Idee und Umsetzung. Sie nannte ein eigenes kleines Büro ihr Reich, dem sie mit plakativen Grafiken und ein paar Blumen auf der Fensterbank ihre persönliche Note verliehen hatte. Allzu viel Zeit verbrachte sie darin allerdings nicht. Meetings mit den Kollegen aus der Grafikabteilung, Kundenbesuche außer Haus und Geschäftsessen gehörten ebenso zu ihrem Job wie die Präsentation der Werbestrategien.
    Es machte ihr nichts aus, mit mehreren Menschen zusammenzutreffen und ihre Meinung zu vertreten. Da befand sie sich ganz in ihrem Element. Nervös machten sie lediglich Einzelgespräche, wenn sie sich auf ein starkes Gegenüber konzentrieren musste. Vielleicht ein Grund, warum sie in ihrem Privatleben keine glückliche Hand hatte und die letzte Beziehung schon einige Zeit zurücklag. Ihr Freund hatte sie wegen einer anderen sitzen lassen. Wenigstens hatte es keine Heimlichtuerei gegeben. Er hatte ihr seinen One-Night-Stand mit der Kollegin sofort gebeichtet, und um Konfrontationen aus dem Wege zu gehen, war er zwei Tage später ausgezogen.
    Aurelia faltete das blütenweiße Papier auseinander und schnupperte auch daran. Tatsache, dieses Papier war parfümiert. Sandelholz und eine andere Duftnote, die sie nicht benennen konnte. Außerdem war es kein gewöhnliches Papier. Aurelia hielt es kurz gegen das Licht. Es enthielt ein Wasserzeichen. Früher, als Teenager hatte sie einen Faible für besonders schöne Papiere gehabt und solche gesammelt, deshalb fiel ihr das sofort auf. Das Wasserzeichen gab dem Bogen eine edle Note.
    Der Brief selbst war ebenso handgeschrieben wie der Umschlag. Eine eindeutig männliche, markante Schrift, klassisch mit blauer Tinte verfasst. Schwungvoll, ausgeformt, eigenwillig und dennoch gut lesbar. Eine Seltenheit im Zeitalter von Computerbriefen, E-Mail und SMS. Und auch hier begann ihr Name mit einem besonders schön geschriebenen großen A.
    Liebe Aurelia,
    wenn du deinen Namen liest,

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