Ich Will Ihren Mann
lassen.«
Sie blickte ihn forschend an. »Kannst du dich überhaupt an was erinnern?« fragte sie.
Er lächelte, beugte sich vor und küßte sie. »Ich weiß nur, wie schön du bist«, sagte er und gab ihr noch einen Kuß. Im nächsten Augenblick war er verschwunden. Lilian öffnete die Augen. Er war nicht mehr da. Cary Grant hatte sich in der Nacht verloren. David beugte sich hinunter und schaltete den Fernsehapparat aus. Er hatte sich umgezogen. »Entschuldige, bitte«, sagte er. »Ich hab' heut' nacht im Hotel geschlafen. Ich weiß, es war dumm von mir, aber ich mußte einfach allein sein. Hoffentlich hast du dir keine allzu großen Sorgen gemacht.«
»Nein, ist schon gut.« Ihre Stimme war so leblos wie der grauverhangene Morgenhimmel vor dem Fenster. »Ich muß jetzt ins Büro«, sagte er. »Sicher, geh nur«, antwortete sie, ohne ihn anzusehen. »Ich versuch' heut' abend früher nach Hause zu kommen.«
»Das wär' nett.«
Sie hörte, wie die Tür hinter ihm zufiel. Es war ihm also gar nicht schwergefallen, die Lüge aufzutischen. Sie schluckte kräftig. Und dann schloß sie die Augen, so wie Elaine es damals getan hatte.
26
Sie sah Laurie gleich, als sie das Lokal betrat, zwängte sich hastig an all den Bekannten vorbei, die die Bar umlagerten, und eilte zu dem Tisch, an dem das junge Mädchen auf sie wartete. »Tag, Laurie«, grüßte sie atemlos. »Tut mir leid, daß ich zu spät komme. Diese Programmdiskussionen ziehen sich manchmal ewig hin. Ich hatte schon Angst, ich würd's überhaupt nicht mehr schaffen. Die da drin engagieren sich wie besessen für ihr Projekt und können sich schon nicht mehr vorstellen, daß es Leute gibt, die ab und zu auch mal was essen müssen. Wartest du schon lange?«
»Erst 'n paar Minuten«, sagte Laurie. Doch Lilian sah, daß sie rot wurde, und wußte, daß sie nicht die Wahrheit sagte. Sie schlüpfte aus dem Mantel und warf ihn über die Stuhllehne. Dann setzte sie sich und holte tief Atem. »Ich freu' mich wirklich, daß wir zusammen zu Mittag essen können«, sagte Lilian und musterte mit einem kurzen, prüfenden Blick die Gestalt des Mädchens. Ihre Arme waren nur noch Haut und Knochen, und der rot-weiß-gestreifte Nicki hing auf ihren Schultern wie auf einem Kleiderständer. »Habt ihr heute keine Schule?« »Heut' ist doch AFT.« »AFT? Was ist'n das?«
»Angeblich 'n Akademischer Fortbildungstag. Kriegen die Lehrer einmal im Monat. Aber Mammi sagt, die wollen bloß 'n freien Tag extra. Sie glaubt nicht dran, daß die Pauker da Lehrgänge mitmachen und so 'n Zeug. Sie sagt, das ist alles bloß vorgeschoben.«
Lilian mußte unwillkürlich lachen. Sie konnte sich lebhaft vorstellen, mit welchem Eifer Elaine den Lehrberuf kritisierte. »War's schwer, herzufinden?« Laurie schüttelte den Kopf. »Meine Mutter hat mich mit dem Auto hergebracht. Sie fand das Lokal ziemlich zwielichtig.«
»Zwielichtig?« fragte Lilian und blickte sich in dem überfüllten Raum um. Eines der Skriptgirls nickte ihr zu, und sie winkte zurück. »Es ist das Stammlokal der Fernsehleute. Schon weil's so günstig liegt, weißt du, gleich gegenüber dem Studio. Mit ist es nie zwielichtig vorgekommen.«
»Mir gefällt's«, kam ihr Laurie entgegen. »Prima, mir auch. War die Bedienung schon da?« »'n Kellner, aber ich hab' ihm gesagt, daß ich auf dich warte.«
Lilian blickte sich um und versuchte vergeblich, die Aufmerksamkeit des Kellners auf sich zu lenken. »Ich glaube, die leiden alle an derselben Krankheit«, sagte sie nach einer Weile. »Chronische Blickfeldverengung, weißt du.« Sie lächelte Davids Tochter an, die sich offensichtlich hier wohl fühlte. »Na, und wie schmeckt dir die Schule?« »Ist schon in Ordnung.« »Was ist denn dein Lieblingsfach?«
Das Mädchen zögerte. »Englisch«, sagte sie schließlich unerwartet.
»Wirklich?« Lilian war ehrlich überrascht. »Das war auch meins. Ich hab' am liebsten Erlebnisaufsätze geschrieben ...«
»Oh, die hass' ich«, fiel Laurie ihr ins Wort. »Ach...«
»Ich find's so langweilig. Außerdem weiß ich nie, worüber ich schreiben soll. Ich lese lieber.« »Was liest du denn so?«
Laurie griff nach ihrem Wasserglas und nahm einen großen Schluck, ehe sie Lilians Frage beantwortete. »Am liebsten sind mir die Nancy-Drew-Bücher.« Endlich erschien der Kellner mit den Speisekarten. »Möchten Sie einen Aperitif?«
»Ja, für mich 'ne Bloody Mary«, sagte Lilian. »Wie ist's mit dir, Laurie? Möchtest du 'n Cola
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