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Ich will keine Blaubeertorte, ich will nur raus

Ich will keine Blaubeertorte, ich will nur raus

Titel: Ich will keine Blaubeertorte, ich will nur raus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Heim
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Aufregungen bin ich niemals herausgekommen, und so wird auch mein Leben enden. Dass ich vorher noch danach lechze, ein paar ruhige, glückliche Zeiten mit hinüberzunehmen, werden nur Wunschträume bleiben in dieser aus den Fugen geratenen Welt. Ein tiefer Seufzer entquillt meiner Brust, und da ist auch das Papier zu Ende. Schluss mit der Melancholie, weiter, weiter geht alles. Es ist vier Uhr nachmittags, die Einkaufszeit, und ich gehe gleichzeitig zur Post und übersende Dir hiermit viele 1000 Küsse, in der Hoffnung, bald Gutes zu hören.

    Deine Mutti

    Berlin, den 1.

April 1941
    Ilsemusch,

    seit Deinem Brief aus Davos, den Du am 19.

März geschrieben hast, habe ich nichts von Dir bekommen, und mein tägliches Warten ist mir so vergeblich.
    Neun Briefe von mir sind unterwegs. Nr.

6 mit Schein, Nr.

7 mit Schein, Nr.

8, zwischendurch noch diverse Karten. Ich tröste mich nur damit, dass eine Menge von Dir zugleich eintreffen wird und Du durch die Nachsendung hin und zurück alles noch mehr verspätet erhieltst als ohnehin. Ach, es ist schrecklich.
    Betreffs Deiner Bitte, Verständnis für Dein Verhalten aufzubringen, bin ich dazu nicht imstande, wie jeder mit gesundem Gehirn! Aber ich debattiere nicht mehr darüber, es hieße auf Granit beißen. Aus USA wird mir vielleicht eher Hilfe kommen als durch Dich als Schweizerin.
    Alle Affidavits nützen vorläufig, wie gesagt, ja gar nichts, es sei denn, es wird baldigst irgendein Warteland geöffnet, wozu Depots verlangt werden, ohne Quoten-Nr., nur erleben muss man es noch! Heute erhielt ich einen Brief von Louise als Antwort auf meinen vom Oktober! Sie schreibt mir sehr anhänglich und liebenswürdig und gratuliert mir zu Deiner Heirat, da ich ihr schrieb, es ist Aussicht dazu vorhanden, wenn Deine Dissertation beendet. Man macht sich nur bei allen Leuten lächerlich, noch darüber zu reden.

    Adieu und innigste Küsse, Deine Mutti

    Berlin, den 23.

April 1941
    Mein Geliebtes,

    hoffentlich hast Du inzwischen meine diversen Briefe erhalten und bist nicht mehr unruhig über mich. Warum bist Du so schlechter Stimmung? Dass die Würmer sich auf die Seele legen, glaube ich nicht, schlimm genug, dass sie Deinen Allerwertesten besiedeln! Aber es ist ja keine schlimme Sache, es wird an irgendeiner Nahrung liegen, vielleicht im Brot, nach der Kur wird der Dreck bald behoben sein.
    Ach, die Essensweise wird sicher mit wenig Bedacht behandelt, wie sollte es auch anders bei Deiner Lebensweise sein? Wie dagegen ich mit den mir zur Verfügung stehenden Mitteln! Immer denke ich dabei, könnte ich doch Dir das alles antun. Natürlich kann ich nicht, wie früher, auf schlanke Linie achten, sondern esse Suppen, Kartoffeln, saure Makkaroni mit Sauce etc.
    Heute delektierte ich mich an gebratenen Schollen (Flundern) mit Kartoffelsalat und Kopfsalat mit Zitrone und Zucker angemacht (nur so). Letztere musst auch Du so oft wie möglich essen, ist gesund fürs Blut und vitaminreich.
    Hoffentlich bist Du, mein Gutes, recht bald wieder in Ordnung, nur dass Du so missmutig bist, macht mir wieder Sorge, es wird schon wieder seinen Grund haben. Ist es die Quälerei mit der Arbeit oder immer und immer wieder das Nicht-Loskommen von Edgar?
    Es ist wirklich kaum Zeit mehr dafür zu verlieren, wir müssen mit Siebenmeilenstiefeln unseren Zukunftsweg beginnen, sonst kommen wir nicht mehr mit, wenn wir weiter wollen!
    Das lass Dir gesagt sein, und danach müssen wir handeln. Ich habe heute von Louise noch mal über ihr dortiges Auswanderungsamt einen Brief bekommen mit der Kopie ihres Schreibens an den hiesigen Konsul und den an diesen gegebenen Unterlagen, die 1a sind. Also, Du siehst, es geht ernstlich los. Nächste Woche lasse ich durch eine Schifffahrtsgesellschaft eine Passage buchen, die wahrscheinlich frühestens im Herbst sein wird, auch wird an Louise gekabelt, für die Passage 400 Doll. zu hinterlegen. Puppchen, interessant ist, dass für diese 400

$ 40

000 Reichsmark! nötig gewesen – für II.

Kl., wofür man noch eher Aussicht hat, einen Platz zu erhalten, als für die billigere Kl., im Übrigen denke ich, dass Louise mir diese Annehmlichkeit spendieren wird. Sobald das alles in Ordnung gebracht ist und ich dem Konsulat die bezahlte Passage vorlegen kann, befasst er [der Konsul] sich mit mir zur Erteilung des gewünschten Visums.
    So ist der Werdegang, den mir mein Bekannter Zorniganski vorgetragen aus seiner durchgemachten Praxis.
    Er geht nächste

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