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Ich will keine Blaubeertorte, ich will nur raus

Ich will keine Blaubeertorte, ich will nur raus

Titel: Ich will keine Blaubeertorte, ich will nur raus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Heim
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Woche mit mir zu der Schifffahrtsgesellschaft, da momentan der betreffende Sachbearbeiter verreist ist. Z. sagt, ich brauchte Herrn Bendix noch nicht, kostet unnützes Geld. Nur, wie gesagt in meinem vorigen Brief, was wird mit Dir? Man müsste doch evtl. auch für Dich einen Schiffsplatz belegen, bzw. Du müsstest auf demselben Schiff von dort aus das machen? Puppchen, besprich das alles mit kompetenten Leuten, wie es zu machen ist, denn jetzt ist es so weit, unseren Entschluss ins Rollen zu bringen. Auf evtl. eintretende Eventualitäten kann man sich nicht einlassen. Bis Herbst kann ja noch viel passieren, aber es ist ja dann nicht alles am Billet verloren, das gegebene Visum erlischt nach vier Monaten, und der ganze Zimt muss dann noch einmal von vorne anfangen.
    Sonst ist bei mir alles gottlob beim alten, toi, toi, toi, ich habe immer noch eine geheizte Wohnung, denn draußen ist es kalt, trotzdem diese gelben, süßen Ginstersträucher blühen. Ach, ich bin beim Leermachen von Kisten mit Fotos, Briefen und Geschäftsberichten; was mir da alles in die Hände kommt, stimmt mich so wehmütig, möchte so viel aufheben, was mir lieb ist, und werfe alles ins Feuer, schrecklich! Adieu, mein Geliebtes, schreib mir genau über alles und sei herzhaft geküsst

    von Deiner Mutti

    Berlin, den 28.

April 1941
    Liebstes,

    durch Deinen Trip nach Lugano hast Du nach Deiner Rückkehr nun meine ganze Post angesammelt vorgefunden. Ich freute mich sehr, dass Du Dir ein paar geruhsame, sonnige Tage schnell abgerungen hast, Du Arme. Jetzt ist vieles von Wichtigkeit zu besorgen und zu beantworten.
    Dein Schädel hat entsetzlich viel zu verarbeiten! Und darum wird eben leider nichts sauber und korrekt und energisch durchgeführt, man stolpert von einem Extrem ins andere. Was soll daraus aber werden! Der Schwerpunkt für mich liegt heute wieder in Deiner qualvollen Bemerkung über Edgar (dachte ich es mir ja!). Hast also natürlich wieder nicht Wort gehalten, nachdem Du zu Weihnachten Dir hoch und heilig vorgenommen hattest, ein für alle Mal Schluss zu machen. Zum Donnerwetter, möchte ich am liebsten losschreien, lass doch endlich ab von diesem Mann! Du zerstörst Dir Dein ganzes Leben, körperlich ebenso wie psychisch. Dieselbe fixe Idee wie s. Zt. mit Gasbarra, die tollsten Verrücktheiten, die beinahe an Wahnsinn grenzten.
    Hier heißt es jetzt, Ideale auf diesem Gebiet begraben, warum denn Du nicht, wenn er skrupellos egoistisch darauf herumtrampelt? Du hast doch seit den Jahren nach Gasbarra, als Du noch grün warst, wirklich genug Erfahrung gesammelt. Wenn danach wiederum Deine Liebe leider verschwenderisch auf einen Misthaufen fiel, musst Du doch endlich zur Besinnung kommen und Dir zu schade dafür sein. Heute, wo jeder Einzelne auf einem Vulkan sitzt und sich zu retten sucht, wo er nur eine Möglichkeit findet, kann man doch nicht einem Phantom nachjagen, woran man zugrunde geht.
    Ich rechne nur noch in meiner Angst und Sorge um Dich in letzter Minute auf Deine aufzubringende Energie und weiß, dass Du letzten Endes keine Schwächlingsnatur bist und Dich mit aller Gewalt zusammenraffen wirst, aber es ist höchste Zeit für Deinen Nervenzustand.
    Du wirst im nächsten Brief wieder Einwände machen und Dich heldenhaft mir gegenüber herausreden, wie immer nach meinen gefühlsmäßigen Erkenntnissen, die mich in jeder Zeile Deiner Briefe in meiner Besorgnis bestärken. Der Inhalt meines letzten Briefes, worin ich Dich durch Aufrollung der schwebenden Pläne über USA bitte, entscheidende Entschlüsse zu fassen, wird es ja erfordern, mit Dir zu Rate zu gehen, nicht wie bisher pflaumenweich, sondern radikal auf Biegen oder Brechen.
    Mein Herz tut mir dabei weh und blutet, das Einzige, Geliebte, was ich noch besitze, vor die Alternative zu stellen, die Mutter im Stich, ins Blaue fahren zu lassen oder den Dich umgebenden, schwer belastenden Ballast, der absolut zu gar nichts führt.
    Natürlich gehört viel Mut dazu, einen neuen Kampf mit dem Leben aufzunehmen, jedoch bietet die Veränderung derartig starke Äquivalente, dass halt nicht umsonst so viele Menschen den Tausch vom Wohlstand zum Abstieg eingehen. Vorläufig sitzt Ihr dort noch sozusagen an der vollen Schüssel.
    Du schreibst sehr richtig heute, Pech- und Glückssträhnen lösen sich ab. Fredi sollte doch darum lieber bei Louise arbeiten, wie alle unserer Familie es vorziehen zu tun, sobald sie irgendeine Chance dazu haben, selbst ältere und ärmere. Es soll das

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