Ich will nur dein Glück: Roman (German Edition)
Kein Wunder, dass sie Angst hatte, ihn zu verlieren.
Kelly schluckte. Wie sie die beiden beneidete! Sie selbst konnte sich kaum noch an ihren Vater erinnern. Dafür erinnerte sie sich noch lebhaft daran, wie ihre Mutter gewesen war, bis zu jenem schicksalhaften Tag, an dem sich ihr Leben radikal verändert hatte. Damals war sie gerade mal sechzehn gewesen. Genau wie Nash, dessen Leben durch den tödlichen Unfall seiner Eltern eine so dramatische Wende erfahren hatte.
Die Sache mit Richard musste ihm auch ziemlich an die Nieren gehen, schließlich war er für Nash sogar ein Familienmitglied gewesen, und die beiden waren nach wie vor befreundet.
Kelly schielte zu Nash hinüber, und seine angespannte Miene bestätigte ihre Vermutung. Plötzlich verspürte sie den überwältigenden Impuls, die Hand auszustrecken und ihm beruhigend über die Wange zu streicheln, doch die Gegenwart seines Ex-Schwiegervaters hielt sie davon ab.
»Ich liebe dich, Dad«, sagte Annie. »Ich bin in ein paar Minuten wieder da.« Sie warf ihm einen letzten besorgten Blick zu, dann ging sie hinaus.
Kaum war die Tür hinter ihr zugefallen, sagte Richard: »Danke, dass ihr so schnell gekommen seid.«
»Ist doch selbstverständlich«, sagte Kelly.
»Was können wir für dich tun?«, erkundigte sich Nash.
Richard räusperte sich und richtete sich im Bett auf. »Ich wollte es vor Annie und Mary nicht erwähnen, aber die Lage ist ernst. Ein vierfacher Bypass ist keine Kleinigkeit, obwohl man mir versichert hat, dass die hier so was jeden Tag machen.«
Kelly ballte unauffällig die Fäuste.
»Ach, das wird schon wieder«, wiederholte Nash seine Worte von vorhin.
Kelly nickte bekräftigend
»Kann sein. Aber wenn nicht … «
»Fang gar nicht erst damit an«, unterbrach ihn Nash.
Richard runzelte die Stirn. »Ach komm, Nash. Du bist doch genauso pragmatisch veranlagt wie ich. Ich will für alle Eventualitäten gerüstet sein. Versprich mir, dass du dich um meine Kanzlei kümmern wirst, falls etwas schiefgeht«, sagte er, zu Nash gewandt. »Du bist der einzige Anwalt weit und breit, dem ich vertraue. Du bist der Sohn, den ich nie hatte, trotz der Scheidung von Annie, und ich finde es immer noch schade, dass du nach dem Studium nicht bei mir eingestiegen bist.«
All das waren für Kelly interessante Neuigkeiten. Sie hatte zwar gewusst, dass sich Richard nach dem Tod von Nashs Eltern für ihn eingesetzt hatte, doch erst jetzt erfuhr sie aus erster Hand, wie eng die Beziehung zwischen den beiden war. Vielleicht war das ja einer der Gründe, warum es Nash so schwerfiel, sich von Annie zu lösen? Wie dem auch sei, es sorgte jedenfalls dafür, dass seine Beziehung zu ihr und ihrer Familie äußerst komplex war.
Nash schenkte seinem ehemaligen Schwiegervater ein mildes Lächeln. »Ich wollte es eben alleine schaffen«, erklärte er, obwohl sie diese Diskussion im Laufe der Jahre schon unzählige Male geführt hatten.
Richard nickte. »Dein Drang zur Unabhängigkeit ist eine der Eigenschaften, für die ich dich so bewundere. Und du hast dein Ziel ganz zweifellos erreicht. Aber du wirst doch trotzdem meine Kanzlei übernehmen, falls es nötig sein wird?«
»Natürlich. Du bist wie ein Vater für mich«, sagte Nash mit rauer Stimme und nickte.
»Gut. Kommen wir nun zu der etwas erfreulicheren Alternative. Ich werde nach der Operation noch eine Woche hier verbringen und danach vier bis sechs Wochen außer Gefecht sein.«
Die reinste Folter für einen Mann, der so aktiv wie Richard war und stets im Mittelpunkt des Geschehens stand , dachte Nash.
»Ich werde mich so lange in der Kanzlei um die wichtigsten Fälle kümmern«, versprach Kelly.
Sie hatte bislang nicht viel gesagt, war aber sichtlich erschüttert vom Zustand ihres angeschlagenen Chefs, der zu allem Überfluss auch noch so offen über sein mögliches Ableben sprach. Nash hatte keine Ahnung, wie weit ihre juristischen Kenntnisse reichten, aber er ging davon aus, dass sie durchaus in der Lage war, die Stellung zu halten, bis Richard zurückkehrte.
»Etwaige neue Fälle kann Kelly ja an mich weiterleiten«, schlug Nash vor. »Ich vertrete dich auch gern während deiner Abwesenheit, und sobald du wieder genesen bist, übernimmst du einfach wieder das Ruder.«
Nash hatte ohnehin bereits in Erwägung gezogen, Bill Manfredi, einen seiner Teilhaber, zum Junior-Partner zu ernennen. Wenn sie nun zusätzliche Arbeit bekamen, war das ein guter Anlass, die Sache etwas zu beschleunigen.
Richard
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