Ich will nur dein Glück: Roman (German Edition)
wenigstens redest du endlich mit mir.«
Er wollte reden? Das konnte er haben.
»Wie zum Teufel konntest du uns das antun?« Jetzt war sie heraus, die Frage, die Nash seit Jahren quälte. Bitterkeit stieg in seiner Kehle auf. Nun führten sie also endlich das Gespräch, für das er sich wohl nie bereit fühlen würde. »Wie konntest du einfach auf dein Motorrad steigen und abhauen, ohne auch nur einen einzigen Gedanken an all das zu verschwenden, was du zurückgelassen hast?«
»Traust du mir wirklich eine derartige Kaltschnäuzigkeit zu?«, rief Ethan empört. »Ich habe jeden verdammten Tag an dich und Dare gedacht.«
Nash musterte ihn misstrauisch. Sein Herz klopfte zum Zerspringen. »Und trotzdem bist du nicht zu uns zurückgekommen.«
»Nein, bin ich nicht.« Auch Ethan hatte jetzt die Stimme erhoben. »Weil unsere Eltern damals meinetwegen unterwegs gewesen waren, um bei der Polizei eine Kaution für mich zu hinterlegen.« Er schlug sich mit der Faust an die Brust. »Und weil sie auf dem Weg dorthin von einem betrunkenen Autofahrer getötet wurden. Ich bin nicht zurückgekommen, weil ich dachte, dass ihr ohne mich besser dran seid!«, brüllte er.
Und da fiel es Nash wie Schuppen von den Augen: Das, was er bisher für Kälte gehalten hatte, war in Wahrheit brennender Selbsthass. Nash war nie auf die Idee gekommen, dass sich Ethan wegen seines Verhaltens Vorwürfe machte, und die Erkenntnis ließ ein klein wenig von seiner Wut verpuffen. Aber wirklich nur ein klein wenig.
Es klopfte, und Faith öffnete die Tür, ohne eine Antwort abzuwarten. »Alles okay bei euch?« Sie spähte ins Büro. Ihre Zuneigung zu Ethan und ihre Sorge um ihn waren ihr so deutlich anzusehen, dass sich Nash unwillkürlich fragte, womit sich sein Bruder all das verdient hatte.
Und warum er eigentlich noch keine Frau gefunden hatte, die Derartiges für ihn empfand. Faith würde Ethan niemals verlassen, so viel stand fest.
»Alles bestens«, brummte Ethan, und Nash erwachte aus seiner Trance.
»Aber … dein Kinn!« Faith öffnete die Tür etwas weiter. Hinter ihr reckte Kelly den Hals. Und sie musterte Nash mit der gleichen Besorgnis wie Faith ihren Mann.
Aber vielleicht bildete er sich das auch bloß ein, nachdem ihm eben aufgefallen war, wie sehr er sich nach dieser Art von Zuneigung sehnte.
Ethan hob die Hand, um Faith einzubremsen, die bereits angelaufen kam, um sein lädiertes Gesicht näher in Augenschein zu nehmen. »Wir brauchen noch eine Minute.«
Sie blieb stehen. »Okay, aber ich habe keine Lust, mit dem Dekorieren der Wohnung wieder von vorn anzufangen«, sagte sie spitz, wobei sie sich umdrehte und Nash einen vielsagenden Blick zuwarf.
Das sollte wohl heißen: keine Prügel mehr.
Nash und Faith waren sich von Anfang an nicht ganz grün gewesen. Aufgrund der Betrügereien ihres Vaters und der tragischen Konsequenzen für Nashs Zieheltern hatte er sie nicht gerade mit offenen Armen in Serendipity willkommen geheißen. Und die Tatsache, dass sie sich gleich mit Ethan eingelassen hatte, den Nash aus tiefstem Herzen hasste, hatte ein Übriges getan. Doch die Loyalität, die sie seinem großen Bruder gegenüber an den Tag legte, zeugte von einer Charakterstärke, die ihr Nash nicht zugetraut hatte. Vielleicht war sie ja wirklich ganz anders als ihr kriminell veranlagter Vater und ihre narzisstische Mutter. Schließlich war Faith der erste Mensch gewesen, zu dem Tess nach ihrer Ankunft Vertrauen gefasst hatte. Und Ethan der zweite.
Faith ging hinaus und schloss die Tür, und Ethan drehte sich zu Nash um und breitete die Arme aus. »Und? Was jetzt?«
Nash fuhr sich mit den Fingern durch die Haare. Woher verdammt noch mal sollte er das wissen?
»Wir sind Brüder, auch wenn es dir nicht passt. Ich habe einen Fehler gemacht, aber ich kann die Zeit nicht zurückdrehen.«
»Was willst du von mir?«, fragte Nash.
Ethan zuckte die Achseln. »Ich will, dass du mich besser kennenlernst. Dass du mich nicht danach beurteilst, wer ich einmal war oder was ich getan habe, sondern danach, wer ich heute bin.«
»Nichts leichter als das?«, schnaubte Nash.
Ethan lachte finster. »Mir ist klar, dass das viel verlangt ist. Aber wer weiß, vielleicht findest du mich irgendwann ja doch noch ganz sympathisch.«
Nash verdrehte die Augen. »Erwarte nicht zu viel, großer Bruder.« Trotzdem musste er unwillkürlich lächeln, als er Ethan zurück zu der Party im Wohnzimmer folgte.
Als Annie erwachte, schien die Sonne unerbittlich durchs
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