Ich will nur dein Glück: Roman (German Edition)
Fenster und leuchtete ihr direkt ins Gesicht. Sie rollte sich stöhnend auf die andere Seite, um der gleißenden Helligkeit zu entgehen, und stellte fest, dass ein warmer Körper neben ihr lag. Sie riss die Augen auf. Joe.
Oh Gott.
Sie kniff die Augen wieder zu, als ihr einfiel, warum er hier war. Das Kribbeln in ihren Extremitäten erinnerte sie daran, dass sie einen Krankheitsschub hinter sich hatte. Genau deshalb hieß die Krankheit, an der sie litt, ja auch schubförmig remittierende Multiple Sklerose. Abgesehen vom Taubheitsgefühl in Händen und Füßen gingen diese Phasen mit extremer Müdigkeit einher, die dafür sorgten, dass sie im Grunde nur im Bett liegen und darauf warten konnte, bis es vorbei war.
Sonst wusste sie nie so recht, was der Auslöser war. Doch diesmal hatte es zweifellos mit der plötzlichen Erkrankung ihres Vaters zu tun, mit seiner Einlieferung ins Krankenhaus, mit den durchwachten Nächten vor, während und nach seiner Operation und der Sorge, ob er sie überstehen würde. Nach dem Gespräch mit Kelly war sie dann erneut direkt ins Krankenhaus gefahren, hatte die Warnsignale, das Kribbeln und die Erschöpfung, ignoriert, statt darauf zu hören und sich zu erholen. Erst nach dem Besuch bei ihrem Vater hatte sie auf ihren Körper und ihre Mutter gehört und war nach Hause gefahren, um sich hinzulegen.
Annie hatte es gerade noch geschafft, sich umzuziehen, ehe sie aufs Bett geplumpst und eingeschlafen war. An die Verabredung mit Joe hatte sie überhaupt nicht mehr gedacht.
Vergesslichkeit – ein weiteres Anzeichen für einen Krankheitsschub , dachte sie angewidert. Sie hasste diese Symptome und das, was sie aus ihr machten, aber sie war ihnen hilflos ausgeliefert. Nach außen hin hatte sie sich nichts anmerken lassen, seit sie vor zwei Jahren die Diagnose erhalten hatte; hatte den erbärmlichen Zustand, in den sie die Krankheit versetzte, nur ausgelebt, wenn sie allein war.
Doch jetzt war sie nicht allein.
Joe war hier.
Kapitel 10
»Na, bist du schon bereit, zuzugeben, dass du wach bist?«, murmelte ihr Joe mit seiner tiefen Stimme ins Ohr.
Ihr fiel wieder ein, dass sie sich mühsam nach unten geschleppt hatte, weil er an ihre Tür gehämmert hatte … und dass sie ihm in die Arme gesunken war. An alles andere erinnerte sie sich nur noch vage. Offenbar hatte sie die ganze Nacht durchgeschlafen.
Sie drehte sich ganz zu ihm um und zwang sich, ihn anzusehen. Er musterte sie mit einem teils amüsierten, teils lasziven Blick.
»Ich weiß nicht, was ich als Erstes sagen soll – vermutlich, dass es mir leidtut wegen unseres Dates. Oder – danke, dass du geblieben bist?« Sie schluckte schwer. »Oder vielleicht, dass ich jetzt über den Berg bin und du guten Gewissens gehen kannst?«
Er atmete tief durch und schüttelte den Kopf. »Mach dir wegen unserer Verabredung mal keine Gedanken; ich hätte dich vorher anrufen und fragen sollen, ob es dabei bleibt. Und gern geschehen, aber ich hatte ohnehin nichts anderes vor. Und das mit dem Gewissen ist das Dümmste, was ich je gehört habe.«
Sie blinzelte. »Okay, tut mir leid.«
»Hast du mich etwa gebeten, hierzubleiben? Oder mich von irgendetwas abgehalten? Nein«, sagte er. »Also, komm mir nicht mit Gewissen. Wie fühlst du dich?«
»Nicht mehr ganz so erschöpft«, sagte sie, und es war nicht gelogen. Sie war zwar noch immer müde und wäre weiß Gott nicht in der Lage gewesen, einen Marathon zu laufen – oder auch nur ein paar Besorgungen zu machen – , aber es bestand zumindest nicht mehr die Gefahr, dass sie in Ohnmacht fiel.
»Das ist gut.« Joe zögerte, dann fragte er: »Wie macht sich eigentlich so ein Schub bemerkbar?« Er stützte einen Ellbogen auf und sah ihr abwartend in die Augen.
Seine Stimme war ruhig und leise, und Annie zwang sich, über die Krankheit zu sprechen, die ihr Leben von Grund auf verändert hatte. »Es fängt mit einem Kribbeln in den Händen oder Füßen an – manchmal sowohl als auch. Das ist dann wie eine Art Warnsignal. Dazu kommt diese Müdigkeit, die dafür sorgt, dass ich zu nichts mehr zu gebrauchen bin.«
Sie wandte den Blick ab, wohl wissend, dass keinerlei Aussicht auf eine wie auch immer geartete Beziehung mit diesem Mann bestand. Die Erkenntnis traf sie schmerzlicher als erwartet. Zweifellos würde er jeden Augenblick Reißaus nehmen. Vermutlich hätte Nash das auch getan, wenn er sich nicht verpflichtet gefühlt hätte, bei ihr zu bleiben – was wohl auch an der Freundschaft lag,
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