Ich will vergelten: Thriller (German Edition)
starrte auf die schlammigen Fußspuren am Eingang zur Mine. Das Tor war ziemlich sicher, eine kräftige Kette war mehrfach um beide Pfosten gewickelt. Aber bei genauerem Hinsehen bemerkte er, dass das Vorhängeschloss vergleichsweise neu war.
Er hob den Kopf.
Am Horizont konnte er an der oberen Straße eine Reihe geparkter Fahrzeuge sehen, mit Kameras und Ferngläsern, die auf die Polizei und die zivilen Suchtrupps gerichtet waren, während die ihrer Arbeit nachgingen. Die Unternehmung, das Mädchen zu finden, hatte das, was gewöhnlich nur einsame und schöne Landschaft war, zu einem Ziel für Tagesausflügler gemacht und ein Interesse erregt, das er persönlich abstoßend fand. Morbide Neugier dieser Art war etwas, das er nicht nachvollziehen konnte.
Und das wollte er auch nicht.
Weldon schob seinen Ärger beiseite, untersuchte noch einmal die Fußspuren und sprach dann sofort ins Funkgerät: »Weldon an Spezialeinheit. Harry, komm mit dem Schneidegerät hier rüber.«
Innerhalb von Sekunden tauchte ein gedrungener Kerl an seiner Seite auf, gefolgt von ein paar Beamten der Spezialeinheit. Sie trugen Leuchtjacken, und einer hatte eine breite Auswahl von Bolzenschneidern dabei. Weldon zeigte auf die Fußspuren, trat dann zurück und wartete ungeduldig, während sie nach Trittblechen riefen. Es war ein düsterer, windiger Tag. Die Dämmerung würde in nur fünf Stunden hereinbrechen, und er wollte endlich anfangen.
Der Bolzenschneider glitt leicht durch das Vorhängeschloss. Weldon knipste seine Helmlampe an und ging voran, so wie er es zahllose Male in den letzten Tagen getan hatte, hoffte aber diesmal auf ein fruchtbareres Ergebnis. Die Decke der Mine war weniger hoch, als ein durchschnittlicher Mann groß war. Wasser schwappte um seine Füße, als er die anderen mit der Taschenlampe in die pechschwarze Dunkelheit führte.
Licht wurde von nassen Wänden reflektiert und warf Schatten in den unheimlichen Raum, während sie sich Schritt für Schritt immer tiefer hineinbewegten und dabei vorsichtig darauf achteten, wohin sie ihre Füße setzten. Etwa eine Viertelstunde später erweiterte sich der Tunnel, und man konnte aufrecht stehen. Ein Beamter leuchtete die dunklen Wände mit der Taschenlampe an, und sein plötzliches Luftholen brachte Weldon dazu, sich umzudrehen.
Was er sah, war herzzerreißend, sogar für den abgehärtetsten Polizisten. Auf dem Fleck, den er anleuchtete, hatte er nur einen Fokalpunkt: ein Paar Handschellen, die lose von der Wand baumelten. Niemand bewegte sich oder sprach, als er sie eingehender untersuchte, vorsichtig, um nichts zu berühren, worin sich seine frühere Polizeiausbildung bemerkbar machte. Er wandte sich zu den anderen um, enttäuscht von dem grausigen Fund.
»Sucht weiter«, sagte er.
Niemand rührte sich.
»Los, macht weiter! Worauf wartet ihr noch? Ich gehe zurück. Das Funkgerät ist hier unten völlig nutzlos, und wir brauchen die Spurensicherung, um das hier zu untersuchen.«
Weldon ließ sie zurück – mit der Anweisung zusammenzubleiben, wenn sie an eine Gabelung kämen – und tastete sich zum Ausgang zurück. Sowie er die Oberfläche erreichte, rief er die Kriminaltechniker herbei, dann zog er sein Handy heraus und wählte Daniels’ Nummer. Sie meldete sich beinahe augenblicklich – wie es sich anhörte, von einem Auto aus.
»Was gibt’s, Dave?«
»Wir haben einen Tatort gefunden«, war alles, was Weldon sagte.
»Und Jessica?«
»Das Schwein hat sie weggebracht. Wir haben frisches Blut gefunden. Eure Spurensicherung ist dran. Die Spezialeinheit sucht den Rest der Mine ab, für den Fall, dass sie noch da unten ist …« Er hielt inne, aber Daniels schwieg. »Tut mir leid, Kate. Ich weiß, dass das nicht die Nachricht ist, die Sie sich erhofft haben.«
»Nein.« Daniels hörte sich erfreuter an, als Weldon erwartet hatte. »Aber es ist eine positive Entwicklung. Wenn Jess tot wäre, warum sollte er dann ihre Leiche fortschaffen und das Risiko eingehen, dabei gesehen zu werden? Wer auch immer sie hat, geht methodisch vor, täuschen Sie sich da mal nicht. Er wird alles durchdacht haben und nichts dem Zufall überlassen. Für mich bedeutet das, dass er zwei Orte hat, an denen er sie verstecken kann, falls wir ihm zu nahe kommen. Mit Ihren Leuten überall in der Gegend glaube ich nicht, dass der zweite Platz allzu weit vom ersten entfernt ist. Sie müssen weitersuchen. Sie können sie rechtzeitig finden. Ich weiß, dass Sie es können.«
Jessica hatte eine
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