Ich will vergelten: Thriller (German Edition)
für die Zukunft.
Carmichael hob die Hand, entschuldigte sich dafür, Jo mittendrin zu unterbrechen. »Makepeace hat seine Tochter verloren – das kommt mir ziemlich katastrophal vor.«
»Ja, aber das ist schon Jahre her.«
»Nein. Das ist erst letzten Monat passiert.«
Der Raum wurde still.
»Was meinen Sie damit, letzten Monat?«, fragte Daniels. »Sally Makepeace ist ’95 gestorben!«
»Eine andere Tochter«, sagte Carmichael. »Ich habe mit den Nachbarn an seinem letzten bekannten Wohnort gesprochen. Kurz nachdem sie Sally verloren hatten, hat sich Makepeace von seiner ersten Frau Susan getrennt. Ich bin noch dabei, sie aufzuspüren. Die Frau, mit der ich gesprochen habe, sagte, Susan wäre noch eine Weile geblieben, aber er sei weggezogen, ohne sich von irgendjemandem zu verabschieden. Noch Monate später hatte niemand eine Ahnung, dass er weg war, nicht einmal seine engsten Freunde und Nachbarn. Dann hat sie eingepackt und ist genauso gegangen, wie er es getan hatte, in einem Augenblick war sie da, im nächsten verschwunden …«
Daniels öffnete den Mund, um zu sprechen, aber Carmichael hatte einen Lauf. »Makepeace war kein hochrangiger Militär wie Finch, deshalb hab ich mir gedacht, dass es ihm finanziell wohl nicht besonders gut ging. Um zu leben, brauchte er Geld: Sozialhilfe, wenn er arbeitslos war, eine nationale Versicherungsnummer, wenn nicht. Jedenfalls habe ich ihn unter einer Adresse in Sunderland gefunden. Vor drei Jahren hat er wieder geheiratet, und er hatte eine Tochter, Hattie. Sie ist leider gestorben.«
»Woran ist sie gestorben?«, fragte Naylor.
»Ebenfalls an Meningitis, ob man’s glaubt oder nicht.«
»Da ist dein Traumaauslöser«, sagte Jo.
»Tolle Arbeit, Lisa.«
Der Kommentar war von Bright gekommen. Er hatte immer eine Vorliebe für Carmichael gehabt und war persönlich an ihrer Karriere interessiert. Sie war zuverlässig und fleißig, und er würde dafür sorgen, dass sie die Karriereleiter hinaufstieg.
Daniels war da ganz seiner Meinung.
»Auf geht’s«, sagte sie. »Lasst alles stehen und liegen. Alle arbeiten daran, Makepeace herzubringen. Untersucht seinen kompletten Hintergrund: Häuser, Orte, Fahrzeuge, Freunde, Familie – was auch immer nötig ist. Und ich will das bis gestern. Außerdem geheime Überwachung der North Pennines über Nacht, für den Fall, dass er auftaucht, um Jessica woanders hinzubringen. Ich will einen Arzt in Bereitschaft, der über ihren möglichen Zustand Bescheid weiß, wenn wir sie finden, mit komplettem Zugang zu ihrer Krankengeschichte, Blutgruppe und so weiter.« Daniels hielt inne, fragte sich, ob es möglich war, den Polizeihubschrauber anzufordern. »Kannst du India 99 für unseren ausschließlichen Gebrauch genehmigen, Chef?«
Bright und Naylor sahen sich einen Augenblick lang verwirrt an.
Alle lachten, sie beide eingeschlossen.
»Ist nicht zu viel verlangt, oder?«, sagte Bright, gerade als sein Handy klingelte.
Es gab eine kurze Pause, als er den Anruf annahm.
Er steckte das Handy in die Tasche und nickte Daniels zu.
»Adam ist hier«, sagte er.
74
Sie ließen die anderen zurück und gingen nach unten, um sich mit Adam Finch zu treffen. Auf dem Weg machten sie höfliche Konversation, hauptsächlich über den Fall, aber auch über Brights Gesundheitszustand. Die Kernspintomografie hatte keinen Tumor oder Ähnliches ergeben, was die Ursache seiner heftigen Kopfschmerzen sein könnte. Es wurden keine weiteren Tests vorgenommen, und sein Neurologe hatte ihn krankgeschrieben und ihm befohlen, sich zu schonen.
»Sehr wahrscheinlich, was?«, sagte er.
Das war die Nachricht, auf die Daniels gehofft hatte. Nicht dass auch nur die geringste Chance bestand, dass Bright die Empfehlung seines Arztes befolgte. Er ging schneller, bat sie, dasselbe zu tun, weil er seinen Freund nicht warten lassen wollte. Sie holte ihn ein, als er auf dem Weg zum Empfang um die Ecke bog.
Ihr schiefes Lächeln begann, ihm auf die Nerven zu gehen.
»Okay, du hast also recht gehabt. Wieder mal. Herrgott noch mal, bist du jemals im Unrecht?«
Es war schön, den schlecht gelaunten Mistkerl wiederzuhaben, den Daniels kannte und liebte. Sie war erleichtert, dass sie einander nach dem schrecklichen Streit gegenübergetreten waren. Sie mussten zusammenhalten, jetzt mehr denn je. Sie öffnete die Tür zu einem ruhigen Raum hinter dem Empfang und trat zurück, erlaubte ihm, zuerst einzutreten.
Adam Finch stand auf und gab ihnen beiden die Hand. Er war
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