Ich will vergelten: Thriller (German Edition)
makellos in einen dunkelgrauen Anzug mit schwarzer Krawatte gekleidet, als käme er gerade von einer Beerdigung.
Ein schlechtes Vorzeichen?
Daniels hoffte nicht.
Finch sah müde und abgehärmt aus, was seine dunkle Kleidung noch betonte. Sein hoffnungsvoller Ausdruck verschwand, als sie langsam den Kopf schüttelte. Als Senior Investigating Officer war es an ihr, die Führung zu übernehmen. Sie bat ihn, sich zu setzen, und nahm auf dem einzigen anderen verfügbaren Stuhl im Zimmer Platz, sodass Bright stehen musste.
»Wir haben Jessica noch nicht gefunden, aber heute sind wir einen großen Schritt vorangekommen. Warum haben Sie uns nichts von Jimmy Makepeace erzählt?«
Finch wurde gespenstisch weiß, als er den Namen hörte. Er ließ den Kopf hängen, kämpfte um Haltung und Worte für eine Antwort. Als er aufsah, hatte er Tränen in den Augen. Er sagte nichts.
»Ich spreche von dem Exluftwaffenkapitän James Makepeace, falls Sie irgendwelche Zweifel haben.« Daniels’ Ton war absichtlich harsch. »Sie wussten, dass seine jüngere Tochter gestorben ist?«
Es war eher eine Aussage als eine Frage.
Finch nickte. »Er war wie ein Besessener, als ich seinen Antrag auf Heimführung abgelehnt habe. Der Mann war verzweifelt. Jetzt weiß ich, wie er sich gefühlt hat. Aber unter den Umständen …«
»Ihre Rechtfertigung interessiert mich nicht, Mr Finch. Ich habe nur ein Ziel, und das ist, Ihre Tochter zu finden. Warum haben Sie uns das nicht vorher gesagt?«
»Nach all der Zeit?«
»Ich habe ausdrücklich danach gefragt, wer Ihnen etwas nachtragen könnte.«
»Ich weiß …«
»Kate!« Brights Blick sandte eine klare Botschaft: Was zum Teufel meinst du, was du da tust? »Ich finde, Adam hat genug durchgemacht, oder nicht?«
»Ja – und Jessica auch!«, fuhr Daniels fort. Sie war viel zu wütend, um Mitgefühl zu zeigen. »Wir haben wertvolle Zeit verloren!«
Bright wurde laut. »Ich habe gesagt, halte dich zurück!«
Daniels erwiderte trotzig seinen Blick. »Gut«, sagte sie und stand auf.
»Nein. Bitte …« Finch drehte sich um und sah Detective Chief Superintendent Bright an. »Sie hat recht, Phillip. Wir haben Zeit vergeudet, und die Verzögerung ist meine Schuld, nicht ihre. Um ehrlich zu sein, ist es mir nicht in den Sinn gekommen, bis … und dann …« Er brach zusammen, konnte den Satz nicht beenden. Seine Worte hingen in der Luft, als er die Tränen unterdrückte, das Gesicht reuevoll verzogen, seine Augen flehten sie an. Schließlich sagte er: »Alles, worum ich bitte, ist, dass Sie sie finden.«
Es fiel schwer, einen erwachsenen Mann betteln zu sehen. Daniels wandte den Blick ab, gab Finch einen Augenblick, um sich zu fangen. Jetzt fühlte sie sich schuldig, dass sie ihm so zugesetzt hatte. Sie konnte sich ja nicht vorstellen, was der Mann durchmachte oder wie er die letzten neun Tage überstanden hatte. Sie wollte, musste, seine Tochter finden. Ihm den Schmerz nehmen. Die Dinge richtigstellen, für ihn und für Jessica.
Um der armen Amy Grainger zu helfen, war es zu spät.
Finch räusperte sich, unterbrach ihre Gedanken.
Was er sagte, ließ Daniels erschaudern.
»Wenn es nach all den Jahren wirklich Makepeace ist, dann wird Jessica niemals nach Hause kommen.«
75
Als sie sich wieder im Einsatzraum trafen, war Carmichael weiter vorangekommen, hatte herausgefunden, dass Makepeace nach dem Tod seiner Tochter einen Nervenzusammenbruch erlitten hatte, und einen weiteren, nachdem seine Ehe zerbrach. Man hatte ihn einmal auf der Straße herumirrend aufgegriffen und ihn daraufhin in eine Klinik eingewiesen.
»Er wurde im September ’97 unter die Aufsicht der örtlichen Behörden entlassen«, sagte Carmichael. »Und ist dann kurz darauf verschwunden.«
»Stehen irgendwelche Psychiatrieakten zur Verfügung?«, fragte Daniels.
»Habe ich bereits angefordert.«
»Gute Arbeit, Lisa. Wenn sie hier sind, lass Jo sie sich ansehen. Kann sein, dass sie nicht besonders wichtig sind, aber sie könnten uns einen nützlichen Einblick in seinen Geisteszustand gewähren. Ich sage Jo Bescheid.«
Zurück in ihrem Büro setzte sich Daniels an ihren Schreibtisch, nahm den Hörer von der Gabel in der Absicht, Jo anzurufen, dann legte sie wieder auf, als jemand leise an die Tür klopfte. Auf dem Höhepunkt jeder Fahndung war ihr Büro wie Kings Cross zur Stoßzeit. Daran hatte sie sich gewöhnen müssen, irgendwie kam sie damit zurecht, und manchmal ignorierte sie es einfach.
Robson steckte den Kopf
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