Ich will vergelten: Thriller (German Edition)
fuhr. Der Fahrer streckte einen Daumen hoch, als er vorbeifuhr. In seinem Rückspiegel sah Gormley Bremslichter. Der Land Rover wurde langsamer, aber er fuhr weiter. Sie hatten keine Zeit, um anzuhalten und mit jemandem aus Weldons Team ein Schwätzchen zu halten. Er musste es bis um zwei zurück in die Zentrale schaffen. Außerdem hatte Weldon an der Kirchentür einen Zettel hinterlassen, auf dem stand, was sie tun sollten und wo er hingefahren war, damit sein eigenes Team wusste, dass er für ein paar Stunden vom Radar verschwinden würde.
»Ich wandere aus«, sagte Weldon nach langem Schweigen.
»Klar, selten so gelacht.«
»Ich mein’s ernst! Sobald ich den Papierkrieg hinter mir habe, nehme ich mein Motorrad, mein Boot und meine Rente und verschwinde von hier.«
»Und wohin zum Teufel? Ich dachte, Durham wäre das Zentrum deines Universums.«
»In die Staaten. Ich gründe da drüben ein Unternehmen für Motorradtouren: Motorräder, Straßenkarten, alles, was man braucht. Ist ewig her, dass ich mal ein bisschen gelebt habe.«
»Hört sich an wie kompletter Blödsinn«, sagte Gormley sehnsüchtig. »Ich drück dir die Daumen.«
»Um ehrlich zu sein, könnte ich noch ein bisschen Startkapital und einen Partner gebrauchen, um richtig anzufangen.« Weldon sah zur Seite. »Du hast nicht zufällig Lust, etwas von deinem schwer verdienten Geld reinzustecken und dann in den Sonnenuntergang zu fahren? Du fährst doch noch, oder?«
»Schon seit Jahren nicht mehr«, sagte Gormley bedauernd. »Julie hat darauf bestanden, dass ich aufhöre, damit Ryan erst gar nicht damit anfängt. Ich dachte, ich hätte keine Wahl.«
»Ist nicht dein Ernst!« Weldon schwieg wieder.
Das Bild von Kate Daniels’ Yamaha Fazer tauchte in Gormleys Kopf auf. Das letzte Motorrad, das er zu Gesicht bekommen hatte, war ihres gewesen. Es hatte im tiefsten Winter allein am Hartside Pass gestanden, eine Fahrt, die sie mitten in einem besonders schwierigen Fall unternommen hatte und wegen der er vor Angst beinahe vergangen wäre. Er sah zu Weldon hinüber und versuchte, das Bild aus seinen Gedanken zu verbannen.
Gormley spürte, dass eine Erklärung angebracht war. »Ich hätte mir nie verziehen, wenn Ryan etwas zugestoßen wäre. Vielleicht hatte Julie recht.«
Weldon war anderer Meinung. »Verdammte Frauen! Ich sage dir, wenn ich mich entscheiden müsste zwischen meinem Motorrad und einer Frau, welcher auch immer …« Er drehte an einem scheinbaren Gasgriff. »Kein Vergleich, Kumpel. Das Motorrad gewinnt, mühelos.«
»Mein Boss fährt.« Gormleys Gedanken waren wieder in Hartside.
»Vielleicht sollte ich ihn fragen, ob er mitmachen will«, sagte Weldon. »Wird er bald pensioniert?«
Gormley schüttelte den Kopf und fuhr weiter.
29
Daniels hörte den unverwechselbaren Lärm eines Rasenmähers, als sie durch die Glastüren ins Sonnenlicht hinaustrat. Der Ausblick von der beeindruckenden Terrasse war spektakulär. Gärten, die bis zur Perfektion gestaltet waren: Geometrische Rasenstücke grenzten an in Form geschnittene Hecken; Pfade führten den Blick durch eine Vielfalt von pflanzenreichem Buschwerk; Skulpturen, Wasserspiele, einschließlich eines absolut symmetrischen, künstlichen Sees mit einer Fontäne in der Mitte, deren Spitze gerade den Horizont berührte.
Es war zeitlos.
Ein älterer Gärtner sah in ihre Richtung, als sie sich neben Adam Finch an einen Tisch im Schatten setzte. Er starrte in die Ferne, schien sich ihrer Gegenwart nicht bewusst zu sein. Zumindest dachte sie das.
»Wollen Sie, dass er aufhört?« Finch sah sie nicht an.
»Nein, nicht nötig. Ich werde in Kürze mit Mr Townsend und dem Rest Ihres Personals sprechen. Aber vorher möchte ich mit Ihnen über Jessica reden.«
»Was ist mit ihr?«
»Standen Sie sich nah?«
»Um Gottes willen!« Finch drehte sich mit bohrendem Blick zu ihr um. Er rieb sich die Schläfe, entschuldigte sich für seinen Zornesausbruch. »Worauf zum Teufel warten die denn noch? Warum nehmen die keinen Kontakt auf?«
»Meinen Sie, dass mehr als eine Person beteiligt ist?«
»Er, sie, was macht das schon für einen Unterschied?«
»Können wir uns eine Sekunde auf das konzentrieren, was wir wissen?« Daniels versuchte, mitfühlend zu klingen, obwohl sie ihm nicht wirklich traute. »Alle Kriminalermittlungen beginnen mit der Untersuchung des Opfers, Sir. Es ist wichtig, dass ich Jess kennenlerne, und das kann ich nur durch Sie.«
»Sie heißt Jessica!«, blaffte er. »Und bei
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