Ich will vergelten: Thriller (German Edition)
gebraucht, um den richtigen Künstler zu finden, einen, der imstande war, die nächste Generation der Dynastie Finch so darzustellen, dass sie im Haus seiner Ahnen ausgestellt werden konnte. Um ein echtes Kunstwerk zu bekommen, musste er auf dem schmerzhaften Prozess bestanden haben, bei dem die Porträtierte über Wochen hinweg stundenlang Modell sitzen musste. Es hatte keine Abkürzungen gegeben, kein Kopieren des Bildes von einem digitalen Bild; dafür war Adam Finch zu sehr Traditionalist.
Ein schreckliches Geräusch schmerzte bis in Daniels’ Zähne und ließ sie aus ihrem Bürofenster blicken. Die rotweiße Sicherheitsschranke vor der Station war auf halber Höhe stehen geblieben; davor wartete ein alter, rostiger Ford Fiesta darauf, eingelassen zu werden. DS Robson kurbelte sein Fenster herunter und streckte den Arm heraus, wobei er wieder und wieder seinen Ausweis durchzog. Die Schranke wackelte und hob sich dann langsam – mit dem ohrenzerreißenden Geräusch von Metall, das auf Metall reibt.
Ohne zu wissen, dass er beobachtet wurde, parkte Robson dicht am Zaun und stieg aus dem Wagen. Er öffnete die hintere Tür und griff hinein, nahm etwas vom Rücksitz, wobei seine losen Anzughosen davon zeugten, dass er immer noch abnahm. Sein persönlicher Kampf, seine Sucht zu besiegen, war offenbar nicht so erfolgreich. Daniels fühlte sich schuldig, dass sie in den letzten Tagen nicht in der Nähe gewesen war, um ihm zur Seite zu stehen.
Vielleicht würde er ja jetzt die Kurve kriegen, wo er wieder zur Herde zurückkam.
Beruhigt durch diesen Gedanken telefonierte sie weiter.
Sie hatte gerade aufgelegt, als Gormley in ihr Büro kam, gefolgt von Bright. Der Superintendent, offensichtlich schlechter Laune, kündigte an, dass er an der Besprechung teilnehmen würde.
Mit anderen Worten, er will lieber nicht nach Hause gehen.
Daniels wusste nur zu gut, wie sich das anfühlte.
Doch das war nicht der einzige Grund, aus dem er hier war. Offenbar wollte Adam Finch Antworten haben. Er forderte von Lokalpolitikern Gefälligkeiten ein, indem er verlangte, dass sie ranghohe Polizisten unter Druck setzten. Und Bright sah eindeutig aus wie ein Mann, der unter Druck stand. Sein normalerweise perfekt sitzender Anzug war zerknittert, seine Krawatte hing schief, und der oberste Knopf seines Hemdes stand offen. Das Haar klebte ihm am Kopf, feucht vom Regen, und er zeigte einen starken, grau gesprenkelten Bartschatten. Er setzte sich in dem Augenblick, als ein Blitz den Raum erhellte, ein ominöser Vorbote dessen, was noch kommen sollte.
Als Mentor gab es niemand Besseren als Bright. Er hatte Daniels alles gelehrt, was sie über die Kriminalermittlungen wusste, und war maßgeblich für ihre Beförderungen verantwortlich. Das Problem war, dass er dazu neigte, seine Frustration dadurch zu bekämpfen, dass er ihr das Leben schwer machte. Länger als sie es eingestehen wollte, nicht einmal vor sich selbst, hatte sie seine Sticheleien still ertragen. Aber nicht heute.
In dem Augenblick, in dem er seine Nase in etwas hineinsteckte, wo sie ihrer Meinung nach nichts zu suchen hatte, biss sie zurück: »Das ist meine Ermittlung, Chef. Ich werde sie führen, wie es mir verdammt noch mal gefällt. Und das bedeutet, über jeden nachzuforschen, von dem ich das verdammt noch mal will, einschließlich Finch. Wenn er Ergebnisse haben will, dann will ich völlige Offenheit – ich kann es mir nicht leisten, selektiv zu sein.«
»Warum hängst du dich so daran auf, dass er fliegen kann?«
Gormley verzog das Gesicht. »Ich dachte, das wäre offensichtlich, Chef.«
»Wer hat Sie gefragt?«, sagte Bright säuerlich.
Daniels sprang Gormley bei. »Sag mir nicht, dass die Tatsache, dass er Pilot ist, ihn nicht verdächtig macht. Wenn ihr beide nicht befreundet wärt …«
»Er war Pilot«, erinnerte sie Bright. »Seine Lizenz ist schon seit Jahren abgelaufen.«
»Und deshalb ist er weniger verdächtig?« Gormley schüttelte den Kopf. »Das bedeutet doch nur, dass er kein Flugzeug mieten kann, ohne Dokumente zu fälschen. Und Sie wissen genau, wie leicht das ist, wenn man die richtigen Kontakte und das Geld dazu hat. Heutzutage kann man doch eine Lizenz im Internet kaufen und sie sich nach Hause schicken lassen, ohne ein großes Risiko einzugehen, entdeckt zu werden.«
»Sie schauen zu viel Fernsehen.« Bright beäugte Gormley. »Sie glauben doch wohl nicht, er hätte ein Mädchen umgebracht und dann vorgetäuscht, seine eigene Tochter
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