Ich will vergelten: Thriller (German Edition)
so seltsam verhalten hatte. Die Uniformierten sollten den Reaktionen auf die Presseerklärung nachgehen, aber sie waren nicht schnell genug.
»Du hast meine Erlaubnis, ihnen eine Rakete in den Hintern zu schieben«, sagte sie.
Jemand hatte die merkwürdige Theorie aufgebracht, dass Jessica Finch vielleicht etwas mit dem Prostitutionszirkel zu tun hatte, zu dem die Polizei von Durham ermittelte, obwohl sie nicht wussten, wie das mit dem Drohbrief in Verbindung stehen sollte, den Finch erhalten hatte. Daniels widersprach, hielt das nicht für wahrscheinlich. Jessica studierte, um Ärztin zu werden, und war wohl kaum eine arme Studentin, der es an Bargeld fehlte.
»Ich würde es nicht komplett abschreiben, Boss. Menschen tun Dinge zum Spaß, nicht nur wegen des Geldes«, erinnerte sie Gormley. »Wenn Jessica in etwas Zweifelhaftes verwickelt war, dann bedroht möglicherweise jemand ihren Vater damit. Vielleicht versucht er, seinen Ruf zu wahren, seinen hochgeschätzten Familiennamen.«
»Mich überrascht gar nichts mehr, Hank.« Daniels sah auf die Uhr an der Wand. »Ich soll mich in ungefähr einer Viertelstunde mit Ron Naylor treffen. Ich gebe ihm ihren Namen, und wir sehen, was passiert.«
»Ist es nicht ein bisschen spät, um sich mit dem Feind zu verbrüdern, Boss?« Maxwell grinste. »Sind Sie sicher, dass Sie dabei keine Hintergedanken haben?«
Er konnte nicht anders. Keine schlüpfrige Andeutung im Büro wurde ausgelassen. Daniels hätte ihn sofort zurechtweisen können, aber sie wusste, das hätte nur Öl ins Feuer gegossen. Seit Jahren gab es Gerüchte über eine Beziehung zu Ron Naylor, Andeutungen und Anspielungen, die sie niemals aus der Welt geschafft hatte. Wenn sie ehrlich war, war es ihr recht, dass weiter spekuliert wurde. Naylor war nicht verheiratet, war es nie gewesen, welchen Schaden könnte es also anrichten? Nein. Solange die Leute dachten, sie hätten etwas miteinander, dachte Daniels, würden sie sich wenigstens nicht mit ihrem wahren Leben befassen – und das war viel interessanter.
Gormley, der Einzige, der Kate Daniels wirklich kannte, lächelte sie schief an.
Sie ignorierte ihn und wandte sich Maxwell zu. »Ron Naylor ist ein guter Freund, Neil. Tut mir leid, dass ich Ihre blühende Fantasie enttäuschen muss.«
Um das Thema zu wechseln, wandte Daniels ihre Aufmerksamkeit dem digitalen Whiteboard zu. Mithilfe der Fernbedienung rief sie Fotos von Amy Grainger und Jessica Finch auf. Als sie sie betrachtete, kam ihr eine Idee. Sie drehte sich zu ihrem Team um und sah Carmichael an. Ihre Ähnlichkeit mit den Opfern war schwer zu übersehen.
»Hätten Sie Lust auf einen kurzen Geheimauftrag, Lisa?«, fragte Daniels.
Als sie erklärte, was sie vorhatte, leuchtete Carmichaels Gesicht auf. Es wäre ihr erstes Mal als verdeckte Ermittlerin, und es war nicht zu übersehen, dass sie es kaum erwarten konnte loszulegen. Daniels dachte ein Jahrzehnt oder mehr zurück, an ihr eigenes Debüt als verdeckte Ermittlerin. Sie hatte zu einem Team der Drogenfahndung gehört, das einen schwul-lesbischen Club am Strand von South Shields infiltrieren sollte. Als sie an die Bar ging, um ein Getränk zu bestellen, war sie sofort von einem Mädchen ihres Alters angesprochen worden. »Pass auf, wenn du dir was beschaffen willst«, hatte es leise gesagt. »Hier ist alles voller Bullen.« Später, als die Razzia lief und das Mädchen seinen Fehler bemerkte, hatte es Daniels nur einen Kuss zugeworfen, während es in Handschellen abgeführt wurde.
Wo sie jetzt wohl ist?
Außer Gefahr, hoffte Daniels.
Carmichael grinste immer noch.
Als alle wussten, was sie zu tun hatten, schickte Daniels sie los und wandte ihre Gedanken Adam Finch zu. Der Versicherung ihres Chefs zum Trotz, dass sie sich in ihm irrte, plante sie, sowohl ihn als auch das Personal von Mansion House am nächsten Morgen unter Druck zu setzen.
Sie verließ die Einsatzzentrale und ging nach unten zu den Damenduschen, steckte ihr Haar hoch, während sie zur Tür hineinging. Sie duschte rasch, zog sich um und legte neues Make-up auf, dann trat sie zurück, um ihre Erscheinung im Spiegel zu mustern. Nicht perfekt, aber Naylor würde das nichts ausmachen. Es war schließlich zehn Uhr abends, und sie hatte sechzehn Stunden Schicht hinter sich.
Ein schwarzer Mercedes der S-Klasse wartete vor dem Haus. Der Fahrer hielt ihr die Tür auf, als sie einstieg. Als sie ein paar Minuten später am »Café 21« hielten, war sie kurz vorm Verhungern, denn ihr
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