Ich will vergelten: Thriller (German Edition)
Essen von »Dene’s Deli« war inzwischen nur noch eine ferne Erinnerung. Der Fahrer stieg aus und führte wieder die Show mit der Tür auf und beharrte darauf, dass Naylor die Rechnung bereits beglichen hatte.
Daniels gab ihm ein großzügiges Trinkgeld und stieg aus dem Taxi.
Terry Laybournes modernes Restaurant war elegant, ohne protzig zu sein, die Kundschaft gut gekleidet, aber entspannt, man unterhielt sich über die Hintergrundmusik hinweg, ohne laut werden zu müssen. Der Duft des perfekt mit regionalen Zutaten zubereiteten Essens war verlockend, eine Mischung aus Aromen, die Daniels’ Appetit anregten und ihren Geschmacksknospen versprachen, dass sie sich auf ein seltenes Vergnügen freuen konnten. Sie hatte erst ein einziges Mal hier gegessen – eine Überraschung, die Jo ihr gemacht hatte, als sie noch zusammen waren.
Lichtjahre her …
Hohe Absätze, die auf dem Holzfußboden zu ihrer Linken klickten, ließen Daniels den Kopf drehen. Beinahe erwartete sie, Jo zu sehen. Stattdessen stand dort eine viel jüngere, aber ebenso attraktive Frau, die anbot, ihr den Mantel abzunehmen und sie zu ihrem Tisch zu bringen. Daniels folgte ihr durch den Raum. Naylor war nirgends zu sehen, aber eine Flasche Champagner lag bereits auf Eis: Champagne Perrier-Jouët »La Belle Epoque«.
Wow! Daniels starrte auf das Etikett. »Sind Sie sicher, dass das der richtige Tisch ist?«
»Ja, Madam.« Die junge Frau bot ihr einen Stuhl an. »Lassen Sie es sich schmecken.«
Daniels nahm Platz und fragte sich, was Naylor wohl vorhatte. Dann tauchte er auf, mitten im Raum, begrüßte gerade händeschüttelnd jemanden, den sie beide kannten, einen pensionierten Divisional Commander, dessen Name ihr auf der Zunge lag. Naylor spürte ihren Blick, drehte den Kopf und lächelte ihr gewinnend zu.
Sekunden später war er an ihrer Seite. Er beugte sich hinunter, küsste sie leicht auf die Wange und flüsterte ihr etwas Wundervolles ins Ohr, etwas völlig Unerwartetes, das sie mit Freude erfüllte. Über seine Schulter hinweg sah sie, wie das Interesse des pensionierten Commanders wuchs. Daniels bekam beinahe Tränen in die Augen, als Naylor sich setzte und ihr über das reinweiße Tischtuch hinweg die Karte reichte.
»Nun sag doch was! So ein großer Schock kann’s doch nicht gewesen sein, oder?«
Daniels würgte. Einen Augenblick lang bekam sie kein Wort heraus. Sie sah zu, wie er zwei Gläser Champagner eingoss. Er nahm eines und hielt es hoch, wartete darauf, dass sie dasselbe tat.
»Ron, du hast mich gerade glücklich gemacht!«, sagte sie.
43
Die Liste der potenziellen Kandidaten für die höchste Position in der Mordkommission kursierte bereits seit Wochen. Und so viel sie auch bei den Leuten von der Personalabteilung nach Informationen gefischt hatte, hatte sie doch nicht das Geringste herausbekommen. Offenbar war es ein wohlgehütetes Geheimnis. Sogar ihr Spion im Kontrollraum, Pete Brooks alias »die Quelle« (allen Wissens), hatte ihr nichts dazu sagen können. Und wenn jemand einen Namen aus der Personalabteilung herauskitzeln konnte, dann war er es.
Bright war schon immer schwer ausrechenbar gewesen, aber nicht einmal in ihren kühnsten Träumen hatte Daniels an Ron Naylors Namen gedacht. Warum? Weil er in seiner eigenen Truppe hoch angesehen war und es allen Grund zu der Annahme gab, dass er eines Tages Chief Constable werden würde. Doch jetzt, wo sie Zeit hatte, darüber nachzudenken, leuchtete es ihr ein. Alle Chief Constables mussten zumindest einmal in ihrer Laufbahn in einer anderen Abteilung arbeiten. Nein, Naylors Versetzung war kein glücklicher Zufall. Sie war Teil eines ausgeklügelten, strategischen Langzeitplans, um den Spitzenjob in der Polizei Durham aus den eigenen Reihen zu besetzen. Soweit es sie anging, war es der gerechte Lohn für lebenslangen Dienst an seiner Gemeinde.
Es hätte niemand Netterem passieren können.
In all den Jahren, die Daniels Naylor kannte, hatte er aus seinem Leben stets das Beste gemacht, im Job und außerhalb. Die Polizeischule hatte er im Sturm erobert, hatte allerlei Unsinn angezettelt, mit dem Neulinge mit weniger Charakter nicht davongekommen wären. Einmal hatte er sich, stockbetrunken, nachts um drei vor den verschlossenen Türen des Wohnheims wiedergefunden. Unbeirrt durch die letzte Warnung, die er von ihrem vorgesetzten Ausbilder erhalten hatte, hatte er einen Sims erklommen, um an ihr Schlafzimmerfenster zu klopfen, damit sie ihn einließ – und hatte dann
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