Ich will vergelten: Thriller (German Edition)
der Mann, den sie kennengelernt hatte, ein Dozent namens Steve war. Außerdem erinnerte sie sich vage an ein Mädchen namens Bryony, das irgendwann ins Spiel gekommen war.
Sie war nicht sicher wo.
Oder wie.
»Nicht gut?« Daniels lehnte sich zurück.
Carmichael schüttelte den Kopf, sichtlich enttäuscht von den Ergebnissen ihrer Bemühungen.
»Okay, machen wir Schluss.« Daniels gähnte. Die Hitze im Raum machte ihr zu schaffen. Wenn sie nicht bald etwas dagegen tat, würde sie bestimmt einschlafen. »Es ist ein guter Anfang, Lisa. Sie haben das gut gemacht.«
Daniels gähnte wieder und stand auf.
Carmichael tat dasselbe. »Boss?«
»Hm?«
»Ich habe eine Frage. Ich weiß, was Sie sagen wollen …«
»Ach ja? Warum dann fragen?«
»Ich kann ihn kriegen. Geben Sie mir noch eine Chance, diesmal lass ich Sie nicht hängen, versprochen. Sie haben selbst gesagt, es ist den Leuten nicht mal aufgefallen, als Andy mich da rausgeschleppt hat. Lassen Sie sie denken, dass ich trinke. Lassen Sie es mich wenigstens versuchen.«
»Nein«, sagte Daniels stur. »Sie können gut reden, Lisa. Aber Sie haben gerade bewiesen, dass Sie noch nicht bereit sind, auch entsprechend zu handeln. Es war mein Fehler zu glauben, Sie wären schon so weit.«
Carmichael sah aus, als hätte man sie geohrfeigt. Sie schluckte schwer, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. Sie versuchte, Daniels dazu zu bringen, ihre Meinung zu ändern, aber die wollte nichts davon hören.
»Boss?« Carmichael bettelte beinahe. »Können Sie mich nicht wenigstens anhören?«
»Ich habe nein gesagt! Also hören Sie auf, sich so aufzuführen.«
Daniels zog sich ihre Lederjacke an, stopfte Browns Handy in die Tasche und machte Anstalten, das Haus zu verlassen. Carmichael folgte ihr und erreichte die Haustür zuerst, als sie innehielt, um ihre Autoschlüssel vom Flurtisch zu nehmen, wo sie sie gestern Abend abgelegt hatte. Doch Carmichaels Versuch, sie am Gehen zu hindern, war vergebens. Daniels stand da und wartete darauf, dass sie ihr den Weg freimachte, mit einem stählernen Ausdruck auf dem Gesicht.
»Sie verschwenden Ihre Zeit, Lisa. Ich werde es nicht erlauben, es ist zu riskant. Außerdem brauchen Sie Zeit, um sich von dem, was Sie durchgemacht haben, zu erholen, körperlich und seelisch. Sie sind nicht in der Verfassung, noch mal dahin zurückzugehen.«
»Dieser Widerling hat mich angemacht, das weiß ich noch. Wenn er entweder in den Prostitutionsring oder aber in den Mord an Amy Grainger verwickelt ist, dann bin ich immer noch Ihre beste Chance, ihn zu erwischen. Es hat sich nichts geändert seit gestern. Denken Sie wenigstens darüber nach.«
Daniels machte einen Schritt nach vorn, aber Carmichael rührte sich nicht. Sie war verzweifelt. Zum Abschluss sagte sie noch: »Sie wissen, dass ich recht habe. Sie können seinen Hintergrund überprüfen, aber wir wissen beide, wie lang das dauert. In der Zwischenzeit könnte er hierher zurückkommen und sich heute Abend noch ein Mädchen greifen. Wenn nicht für mich, dann tun Sie’s für Jessica.«
Sogar Daniels fiel es schwer, dagegen etwas einzuwenden.
Inzwischen musste es Jessica Finch sehr schlecht gehen.
52
Jessica ging es tatsächlich sehr schlecht.
Sie war noch am Leben.
Aber sie baute immer schneller ab.
Er wusste, dass es so war.
Ein weniger starker Mensch wäre längst abgekratzt.
Da hing sie, wie ein Zombie, blaue Lippen, Wangen gestreift, wo schwarze Mascara verlaufen war. Blut war von ihren Handgelenken in winzigen Rinnsalen ihre Unterarme hinuntergelaufen und hatte die Ärmel von Amy Graingers knappem Minikleid befleckt. Ihre Augen reagierten nicht auf das Licht der Taschenlampe. Aber er konnte kein Risiko eingehen. Mit behandschuhten Händen verband er ihr die Augen, bevor er eine Flasche Wasser an ihren Mund zwang. Sie holte plötzlich Luft, erstickte fast, als die Flüssigkeit in ihre Kehle floss, und ihr Mund jagte dem Flaschenhals nach wie ein Baby, das nach der Brustwarze sucht.
Er ließ sie trinken, wusste, dass sie von Magenkrämpfen geplagt werden würde, wenn sie zu viel auf einmal trank. Sie würden sie niemals finden. Er hatte zugesehen, wie sie es versucht hatten, aber sie hatten keine Ahnung. Man musste es Daniels zugestehen, dass sie die Verbindung zu seinem Versteck hergestellt hatte, und das war beeindruckend. Ein schlauer Fuchs, das war sie. Vor weniger als einer Stunde hatte sie sich den regionalen Medien gestellt, um das Mädchen lebend zu finden. Er
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