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Ich wollte Hosen

Ich wollte Hosen

Titel: Ich wollte Hosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lara Cardella
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und spielte mit uns, sondern ließ uns sogar zu ihrer Ebene hinaufkommen und uns erwachsen fühlen: Sie ließ uns Treppen putzen, Teller spülen und Wäsche waschen und gab uns nichts dafür, und wir beklagten uns nicht nur nicht, sondern baten sie sogar selbst darum, uns diese Arbeiten machen zu lassen, vor denen wir zu Hause wie vor der Pest flüchteten. Aber sie hatte ihre Methode und viel Geduld.
Ich erinnere mich an kein einziges Mal, wo sie ihre Hand gegen einen von uns erhoben hätte; wenn sie uns tadelte, tat sie es sanft, und sie liebte uns alle auf die gleiche Weise oder ließ es jedenfalls so aussehen, deshalb entstand kein Streit, und niemand brauchte sich hervorzutun, um ihre Liebe zu ergattern: Wir hatten sie schon, ihre Liebe, und alle auf die gleiche Weise. Nicht einmal ihre Kinder behandelte sie besser als uns: Sie war die Tante Vannina von uns allen. Sie lebte in einem alten Haus in der Nähe von meiner Großmutter, deshalb kam es oft vor, daß nachmittags die wenigen Zimmer der Tante von einem Schwarm Kinder mit Eimern, Schwämmen und Lappen in der Hand wimmelten. Ich war sehr gern bei ihr, weil sie gutmütig und lustig war, aber meine Oma mochte ich viel lieber, obwohl meine Oma nicht besonders gerecht war, ganz im Gegenteil! Sie mochte mich lieber als alle anderen und verpaßte keine Gelegenheit, das auch zu zeigen, sogar wenn die anderen Enkel mit ihren jeweiligen Eltern dabeiwaren. Ehrlich gesagt, zu der Zeit bemerkte ich diese Ungerechtigkeit nicht. Oder wollte sie nicht bemerken. Die anderen kamen natürlich besser mit meiner Tante aus.
Oft kam es jedenfalls vor, daß Tante Vannina mich einlud, bei ihr zu Hause zu übernachten, und meine Eltern erlaubten mir hinzugehen. Wie gesagt, wohnte meine Tante in der Nähe meiner Oma, daher machte es meinen Eltern nicht viel aus, und sie sorgten sich nicht. Dann zog meine Tante um, in eine Gegend auf der anderen Seite des Dorfes. Es war nicht mehr so einfach, zu ihr zu gehen: Es mußte ein wichtiger Grund vorhanden sein, um zu ihr nach Hause zu gehen.
Ich dachte wehmütig an diese Nachmittage, und wahrscheinlich muß ich auch meiner Tante ein bißchen gefehlt haben, als sie mich eines Tages einlud, ein paar Tage bei ihr zu verbringen. Sie selbst sprach darüber mit meinem Vater und schaffte es, ihn schließlich zu überreden, nachdem er mehrmals nein gesagt hatte, eher um seine Pflicht als Vater zu erfüllen denn aus wirklicher Angst vor irgend etwas. Eine gefährlichere und unerwartete Klippe war meine Oma, sie war entschieden dagegen, weil sie es nicht aushielt, mich mehr als 12 Stunden lang so weit weg zu wissen. Ich sprach mit ihr und überredete sie, wobei ich auf ihre mir gegenüber mehr als mütterliche Liebe anspielte und dort den Hebel ansetzte. Da ließ sie ihre Ängste und ihren Egoismus beiseite und ließ mich gehen.
Das Haus meiner Tante stand in der Nähe des Weihers und war ein mehr ländliches Mietshaus: Es war umgeben von Grün und von Bäumen; am frühen Morgen kamen dort sogar Hirten vorbei, die vor unseren Augen die frische Milch molken. Ich war glücklich, diese Tage bei ihr zu Hause verbringen zu dürfen, ich fühlte mich auserwählt, weil ich als einzige ihrer Nichten und Neffen eingeladen worden war. Mein Onkel Vincenzino war genau das Gegenteil seiner Frau: So nett und rührig sie war, so gleichgültig war er, er war ein Tagedieb. Ich erinnere mich, als sie noch in der Nähe meiner Oma wohnten, wie meine Tante immer bis spätabends auf ihn wartete, und einmal nahm sie mich mit in eine Bar, um ihn betrunken nach Hause zu bringen. Meine Tante betete ihre Töchter an, und für sie war ihr jede Arbeit recht, damit sie das Fehlen von Arbeit und Arbeitswillen ihres Mannes ausgleichen konnte. Ihre finanzielle Lage war schwierig; einmal war eine meiner Cousinen sogar zum Lebensmittelladen gegangen und bat, ein belegtes Brötchen anzuschreiben; man schickte sie mit groben Worten fort, dabei hatte sie nicht bloß Appetit, sondern Hunger, wirklichen Hunger!
Meine Tante litt ganz fürchterlich unter diesen Demütigungen, sie wollte, daß ihre Kinder alles vom Leben bekamen. Eine gewisse Zeit war Onkel Vincenzo in die Schweiz arbeiten gegangen, aber nach einem Jahr oder so war er ohne eine Lira zurückgekehrt und hatte bloß ein nettes kleines Abenteuer mit einer Schweizerin hinter sich. Um die Töchter, sich selbst und natürlich den Mann durchzubringen, ging meine Tante von Haus zu Haus und gab Kranken ihre Spritzen, putzte Treppen und

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