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Ich wollte Liebe und lernte hassen

Titel: Ich wollte Liebe und lernte hassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz Mertens
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Arzt verabschiedete sich von mir, und nur noch die Arztgehilfin war im Zimmer einschließlich Pappa und ich. Die Arztgehilfin sprach kein Wort und räumte gemütlich auf, und Pappa hielt mir die Hand, und wir warteten auf den Krankenwagen.
     
    »Du Pappa, fährst du mit mir im Krankenwagen nach Hause?«
    »Nein, das geht nicht, ich habe doch unseren eigenen Wagen unten vor der Tür stehen, aber ich fahre voraus bis wir zu Hause sind, das andere kann ich ja heute mittag erledigen.«
    »Ja, ist gut«, antwortete ich gleichgültig.
    Die Sanitäter kamen, aber diese zwei kannte ich noch nicht, sie machten genau dasselbe wie die anderen. Sie packten mich auf eine Bahre und trugen mich in den Krankenwagen. Pappa lief neben mir her, bis ich im Krankenwagen war, dann wendete er auf dem Absatz und ging zu seinem eigenen Wagen. Als wir zu Hause angekommen sind, war Pappa schon da und machte alle Türen auf, damit mich die Sanitäter ohne Schwierigkeiten gleich reintragen konnten. Als ich Mutti anschaute, war sie ganz blaß im Gesicht und mir fiel ein dabei, daß sie mich doch irgendwie gerne haben muß, wenn es sie so blaß machte. Ich wurde wieder auf mein Bett verfrachtet, und Mutti stand neben mir und versorgte mich gleich. Pappa fuhr gleich wieder weg, als die Sanitäter gegangen waren. Mutti stand nun neben mir und sagte in einem ganz traurigen Ton:
    »Schade, daß sie dich wieder eingegipst haben, und ich habe schon gedacht, daß du wieder gesund bist.« Da wußte ich, daß der Streit aufgehoben war, den wir in den letzten drei Wochen geführt haben, also besser gesagt sie geführt hat.
    Am Nachmittag, als wir alle gegessen hatten und Pappa auch wieder zu Hause war, klingelte es auf einmal an der Haustür.
    Ich fragte mich schon, wer das sein könnte, aber dann vernahm ich die Stimme von Großmutter, und ein paar Minuten später stand sie vor meinem Bett und bemitleidete mich. Nach ein paar Begrüßungsworten, die ich ihr entgegenbrachte, sah ich, daß ihr Tränen über die Wangen kullerten, und sie tastend nach dem Stuhl griff.
    »Ach Junge, was haben die nur wieder mit dir gemacht, das ist ja furchtbar. Ich hatte nun schon gedacht, daß du bald wieder herumspringen kannst und mich heute besuchen.«
    Ich war so ruhig, daß ich Oma nur antwortete: »Es geht alles vorbei, wenn ich von der Klinik in Freiburg zurückkomme, dann kann ich bestimmt wieder laufen, denn da sind Spezialisten, die alles für mich tun können.«
    »Ja, ja, Pappa hat mir schon erzählt heute morgen, daß du nach Freiburg in die Klinik kommen sollst.«
    »Mach dir nur keine Sorgen, Oma, und höre doch auf zu weinen, große Frauen und Männer weinen nicht, hat Pappa gesagt, und du bist ja schon groß und erwachsen.«
    »Ja, du hast recht«, antwortete sie und schniefte in ihr Taschentuch, das sie aus der Handtasche gezogen hatte. »Ach wenn nur alle Leute so tapfer wären wie du, aber ich bin es eben nicht, und deswegen darf ich auch weinen«, gab sie zurück.
    Aha, dachte ich nur. Leute, die weinen, sind nicht tapfer und deswegen dürfen die weinen, also war ich heute morgen auch nicht tapfer, aber jetzt bin ich es wieder. Ich fand die ganze Szene amüsant, und als sie noch für jeden von uns, also auch für meine zwei Brüder, eine Tafel Schokolade aus der kleinen Handtasche zog und sie uns überreichte, bedankte ich mich bei ihr, einschließlich Ralf und Uwe, und sagte noch dazu: »Soviel Schokolade darf ich zwar nicht essen, wegen dem Gips, damit er nicht zu eng wird, aber es ist sehr lieb von dir«, und zog ihren Kopf zu mir herunter und gab ihr einen Kuß auf die Wange. Daraufhin fing sie wieder an zu weinen und ging aus dem Zimmer. Der Duft von frischem Kaffee verbreitete sich plötzlich in der ganzen Wohnung, und ich rief nach Mutti:
    »Du, darf ich bitte auch eine Tasse Kaffee haben?«
    »Ja, aber nur einen Milchkaffee, das da ist richtiger Bohnenkaffee und kein Carokaffee.«
    »Ist in Ordnung, mir schmeckt er sowieso besser mit Milch.«
     
    Mutti kam mit dem Kaffee und brachte kurz darauf auch Daniela, meine kleine Schwester, und legte sie zu mir ins Bett, damit ich ein wenig auf sie aufpasse, damit sie sich richtig mit Oma unterhalten kann. Ich brauchte nicht viel auf sie aufzupassen, ich hob ihr meinen Finger hin und wir spielten unser altes Spiel, und kurz darauf ist sie auch schon eingeschlafen. Ich nickte nach einer Weile auch ein und hatte meinen Kaffee noch gar nicht angerührt. Ich wachte erst wieder auf, als mir mein Brüderchen

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