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Ich wollte Liebe und lernte hassen

Titel: Ich wollte Liebe und lernte hassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz Mertens
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Mutti und Pappa waren so verblüfft, daß sie für einen Moment aufhörten zu streiten, aber gleich darauf fingen sie wieder an. Ich hörte sie bis hinauf in den ersten Stock und da ich von der ganzen Scheiße nichts mitbekommen wollte, machte ich meinen neuen Plattenspieler an und stellte ihn so laut, daß ich die Streiterei von Mutti und Pappa nicht hörte, denn schließlich war ja Weihnachten.
    Pappa ging am nächsten Morgen arbeiten. Er sah ziemlich verkatert aus und daraus schloß ich, daß er sich am gestrigen Abend noch ganz schön den Arsch vollgesoffen haben mußte.
    Auch ich machte mich an die Arbeit, und erstaunlicherweise klopfte es schon an der Eingangstüre. Als ich öffnete, stand schon der erste Stammgast da und ich dachte mir gleich, das kann ja heiter werden. Sieglinde kam rechtzeitig zur Arbeit, und konnte sich gleich voll reinstürzen. Der ganze Stammtisch war versammelt und man konnte denken, daß die alle keine Familie haben. Aber dem war nicht so, die meisten hatten Familie, aber in Orsingen sind die Idioten so versessene Stammtischbrüder, daß sie sogar am Todestag ihrer Mutter noch zum Stammtisch gehen würden. Für mich waren das sowieso alles Bauerntrampel und nicht ganz richtig im Kopf.
    Ich machte das Mittagessen, und da Mutti ja die Leute am Stammtisch begrüßen mußte und dann von dort nicht mehr wegkam, konnte ich die ganze Arbeit alleine machen. Da Mutti in letzter Zeit sowieso nicht den Alkohol verschmähte, hatte sie gegen Mittag schon einen Gewaltigen sitzen, und sie war nicht mal in der Lage, die Theke zu führen, als im Lokal eine wahnsinnige Hektik losging und die Leute uns die Bude fast einrannten. Sieglinde, Uwe, ich und sogar Ralf mit seinem Gipsbein meisterten an diesem Tag das Geschäft. Es war zwar ein Wahnsinnsstress und Sieglinde erklärte sich bereit auch noch durchzuarbeiten, denn sie sah, daß wir im Schwimmen waren.
    Als der Tag dann rum war und es auf den Feierabend zuging, war Mutti blau und auch Pappa, der ebenfalls schon angesoffen nach Hause kam. Da Mutti die Tropfen, die sie immer Pappa verabreichte, an der Theke hatte stehen lassen und sie mir auftrug, für Pappa und sie etwas zu trinken zu machen, kam mir eine Idee: Wenn ich beiden das Zeug verabreiche, müßte normalerweise für heute Ruhe sein. So nahm ich die Tropfen, stellte mich vor die Gläser und verabreichte sowohl Mutti als auch Pappa eine ganz gewaltige Prise. Dann stellte ich den beiden die Gläser vor die Nase. Sie tranken es beide mit Genuß. Ich hatte nicht einmal ein schlechtes Gewissen, warum weiß ich auch nicht. Dann war endlich Feierabend. Mutti und Pappa stritten sich nicht, im Gegenteil, sie waren freundlich zueinander und Pappa nannte Mutti sogar einen Schatz. Aber beide waren besoffen und hundemüde. Ich drückte Mutti den Geldbeutel in die Hand und in Nullkommanichts waren Mutti und Pappa im Schlafzimmer verschwunden. Ich machte dann noch die Theke, nachdem ich das Lokal abgeschlossen hatte, und räumte alles auf. Dabei dachte ich mir, daß die Tropfen wunderbar gewirkt hatten, im ganzen Haus war es friedlich, keiner streitet rum, und es war so eine schöne Ruhe, daß ich mich hinsetzte und mir einen Sonnenschein machte und dabei an Sonja dachte. Um vier Uhr, als ich aus meinen Träumereien endlich aufwachte, ging ich ins Bett.
    Am nächsten Morgen war ich total schlapp. Ich stand auf und das erste was ich tat, war zwei von den Pillen zu schlucken.
    Sieglinde hatte mir ja genug Nachschub besorgt, daß ich mit den Dingern nicht sparen mußte. Als ich ins Bad ging stellte ich fest, daß Mutti und Pappa noch schliefen. Ich klopfte sachte an die Tür und Pappa rief dann mit verschlafener Stimme Herein. Ich machte ihn aufmerksam, daß er arbeiten gehen müsse, und als er auf den Wecker blickte, stand er auch sofort auf. Mutti blieb im Bett liegen und schlief weiter.
    Pappa ging gleich zur Arbeit, ich hatte ihm umsonst das Frühstück gerichtet. Als ich dann selbst gefrühstückt hatte, kamen auch schon meine Geschwister die Treppe runter.
    Ich ließ den Frühstückstisch für die anderen stehen und stürzte mich gleich in die Arbeit.
    Das Lokal war schon geöffnet, und Sieglinde war auch schon auf ihrem Posten, als plötzlich Mutti die Treppe herunterkam und auf wackeligen Füßen in die Küche taumelte. Sie hielt sich den Kopf und stöhnte leise vor sich hin. Dann sagte sie zu mir:
    »Mann bin ich kaputt, ich fühl mich total müde und schlapp bin ich auch total.« »Vielleicht hast du

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